Mein zauberhafter Ritter
Brücke ...
Und sein Cousin!
Beinahe wäre er Boydin direkt ins Schwert gelaufen, bis er überhaupt wahrnahm, dass dieser mit gezückter Waffe vor ihm stand. Also zog er selbst das Schwert und stürzte sich wütend auf den Schwachkopf.
»Jetzt bringe ich zu Ende, was ich bei unserer letzten Begegnung auf der Brücke angefangen habe«, zischte Boydin hasserfüllt. »Wenn dein verdammter Knappe sich mir nicht in den Weg gestellt hätte, wärst du jetzt ein toter Mann.«
Als Montgomery an Boydin vorbeischaute, stellte er fest, dass das Schimmern allmählich verblasste. Zornig blickte er Boydin an. »Nur du allein bist deines Glückes Schmied, du Narr. Setz deinen Zorn darüber, dass du der Zweitgeborene bist, dafür ein, ein neues Leben anzufangen - und zwar anderswo.«
»Sedgwick gehört mir!«, brüllte Boydin.
Das Tor schloss sich langsam.
Montgomery trat Boydin das Schwert aus der Hand, steckte sein eigenes weg, packte seinen Cousin vorne am Wams und warf ihn von der Brücke. Ein Platschen ertönte, gefolgt von lautstarkem Fluchen. Montgomery überließ den Tropf seinem Schicksal und hastete weiter die Brücke hinunter.
Inzwischen war das Tor nur noch einen Spalt weit geöffnet.
Montgomery machte einen Satz vorwärts, in der Hoffnung, es möge nicht sein Ende bedeuten.
22
Pippa stand am Rand von Tess’ Rittersaal und beobachtete die Menschen dort, allerdings ohne viel mehr wahrzunehmen als wirbelnde Farben. Das Fest hatte vor einer Stunde begonnen, und es machte fast den Eindruck, als ob es sich noch eine Ewigkeit hinziehen würde. Offenbar besaßen die Gäste eine gute Kondition und würden nicht nur den ganzen Abend lang, sondern bis in die Nacht hinein tanzen. Pippa schüttelte den Kopf. Diese Idioten, die historische Szenen nachspielten und sich dabei vorkamen wie die mittelalterlichen Adeligen. Vielleicht rührte ihr Kräfteüberschuss ja daher, dass sie nur so taten, als lebten sie in der Vergangenheit, ohne den Vormittag auf dem Kampfplatz mit der Ausbildung ihrer Soldaten verbringen und sich den restlichen Tag damit beschäftigen zu müssen, genügend Lebensmittel zusammenzukratzen, um sich und die Ihren durch den Winter zu bringen.
Am liebsten hätte sie sich unauffällig verdrückt, doch Tess stand im Flur zur Küche und beobachtete sie, während Peaches unten an der Treppe Posten bezogen hatte wie ein Rottweiler.
Unwillig verzog Pippa das Gesicht. Sie brauchte keinen Babysitter. Schließlich war sie nicht diejenige gewesen, die die Riesenszene vorhin im Geschenkeshop angefangen hatte. Sie war durchaus in der Lage, einen ganzen Abend auf sich selbst aufzupassen, ohne dass ihr ständig jemand in fünf Schritten Abstand folgte. Immerhin hatte sie es heute Vormittag auch geschafft, oder?
Gut, es war das erste Mal seit einer knappen Woche, dass es ihr gelungen war, ihren Schwestern lange genug zu entfliehen, um ein wenig Zeit für sich zu haben. Nach einer Woche mit heißen Duschen — einigen mehr als sonst, um die verpassten
wettzumachen anständigen Mahlzeiten und Nachgrübeln über die Frage, warum Montgomery de Piaget offenbar zu dem Schluss gekommen war, sie sei es nicht wert, ihr mit einem gläsernen Pantoffel in der Hand zu folgen, fiel ihr in der Burg die Decke auf den Kopf. Sie brauchte dringend eine Ablenkung von der Erkenntnis, an der kein Weg vorbeiführte.
Sie hasste Märchen.
Außerdem wurde sie den Eindruck nicht los, dass sich ihre Ansprüche an das Leben verändert hatten. Tess und Peaches waren einfach wundervoll gewesen, auch wenn sie sich von ihnen ein wenig bevormundet fühlte. Offenbar hatte sich Stephen de Piaget während ihrer Abwesenheit mehr oder weniger häuslich in der Burg eingerichtet. Pippa konnte zwar nicht genau sagen, warum, doch er schien sich als Beschützer für sie und ihre Schwestern zu sehen. Natürlich konnte es auch durchaus sein, dass er sich einfach nur brennend für Einzelheiten aus dem mittelalterlichen England interessierte und glaubte, hier an der Quelle zu sitzen. Pippa hielt beide Alternativen für möglich. Allerdings schrak sie jedes Mal leicht zusammen, wenn sie ihm über den Weg lief und feststellte, dass er Stephen war - und keine moderne Version seines Onkels aus dem Mittelalter.
Am dritten Tag hatte sie schließlich nachgegeben und den dreien von ihrer Reise in die Vergangenheit erzählt — nicht alles, jedoch genug, um ihre Neugier zu befriedigen, damit sie endlich die Münder zuklappten. Wer sollte es ihr auch verdenken, wenn sie
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