Mein zauberhafter Ritter
nahenden Herbstpracht zeigten, war wunderschön. Es war der gleiche Anblick, den er am Morgen von dem Hügel aus genossen hatte, aber von seiner eigenen Burg aus hatte die Aussicht eine persönliche Note. Er hätte nichts dagegen, diese Landschaft für den Rest seines Lebens zu betrachten. Natürlich liebte er das Meer, und in seiner Jugend hatte er sehr gern an der Küste gelebt, aber jetzt war er durchaus zufrieden mit diesen sanften Hügeln, den üppigen Feldern und den dichten Wäldern.
Er legte seine Hände auf die Überreste der Mauer, nicht weil er sich abstützen musste, sondern weil er nicht wollte, dass jemand möglicherweise sehen konnte, wie sie zitterten. Er war zwar der jüngste Sohn des mächtigsten Adligen im Norden Englands, dessen Aufgabe es gewesen war, immer rechtzeitig auf dem Turnierplatz zu erscheinen und sich dort zu bewähren. Und er hatte seine Geschicklichkeit mit dem Schwert auch auf dem ganzen Kontinent bewiesen, alle seine Herausforderer besiegt und nebenher Witz und Schlagfertigkeit bei Festivitäten gezeigt. Selbst die Aufgabe, das Erbe einer unbeschädigten Burg anzutreten, einer Burg mit einer tüchtigen Besatzung,
einer gut bestückten Speisekammer und einer Mauer, die alle seine Feinde fernhielt, hätte er gut gemeistert.
Aber das ... das war etwas ganz anderes.
Beim Knarren der Tür zu seiner Linken zog er sein Schwert halb aus der Scheide, bis er bemerkte, dass es Robin war, der sich ihm näherte. Er schob sein Schwert mit einem Seufzen zurück, als sein Bruder zum Zeichen der Kapitulation seine Hände hob und sich wortlos neben ihn stellte. Montgomery wusste, dass das Schweigen nicht lange anhalten würde, also beschloss er, sich die Predigt lieber gleich anzuhören.
»Was?«, fragte er und sah seinen Bruder finster an.
Robin zwinkerte. »Was soll sein?«
»Ich nehme an, du willst nun deine Lebensweisheiten über mein armes, unglückliches Haupt ergießen. Also lass es uns schnell hinter uns bringen.«
»Es mag dich überraschen, aber ich bin gekommen, um zu hören, was du jetzt denkst.«
Montgomery atmete langsam aus. »Ehrlich gesagt finde ich dafür keine Worte.«
»Bisher hat noch niemand versucht, dich umzubringen«, meinte Robin. »Außer du zählst das als Mordversuch, was dein Koch zum Abendessen auf den Tisch gebracht hat.« Er schüttelte sich leicht. »Das war wirklich widerlich.«
»Ihr hättet nicht bleiben müssen. Ich dachte, ihr wolltet euch an Grandmeres reichlich gedeckten Tisch setzen.«
Robin gab keine Antwort. Er blieb einfach so lange schweigend stehen, bis Montgomery ihn schließlich verärgert ansah.
»Was?«
Robin lächelte schwach. »Montgomery, ich mache mir Sorgen um dich. Vielleicht sollte ich zu Grandmere gehen und ein paar Flaschen ihrer besten Weine für dich holen. Dann könntest du jeden Abend nach dem Essen ein gutes Glas Wein genießen und würdest vielleicht wieder umgänglicher werden ...«
Montgomery wandte sich ihm zu. »Und wo sollte ich diese Flaschen lagern, Robin?«, fragte er scharf. »In meinem gepfleg-ten Keller, bewacht von meinen fleißigen Bediensteten? Oder vielleicht unter den Augen der Burgbesatzung, die sich an meinen Wintervorräten einen dicken Wanst angefressen hat? Oder vielleicht sollte ich sie unseren Cousins anvertrauen, die mich mit offenen Armen empfangen haben? Sag du es mir - du hast doch immer weise Ratschläge zur Hand.«
Robin schüttelte den Kopf. »Du warst früher immer so fröhlich. Nein, nicht fröhlich, sondern freundlich. Was ist geschehen?«
Montgomery wusste kaum, wo er anfangen sollte. Ja, vielleicht war er in der Vergangenheit hin und wieder fröhlich gewesen, aber das hatte sich irgendwann verloren. Möglicherweise hatte es damit begonnen, dass er viele Geheimnisse hüten musste. Und dann hatte ihn die Verantwortung beinahe erdrückt. Jahrelang hatte er vernünftig sein müssen, immer Verantwortung übernehmen müssen und niemals auch nur einen Moment Zeit gehabt, um sich um sein eigenes Wohlbefinden zu kümmern. Er hatte sich seinem Vater und dessen Namen verpflichtet gefühlt, seinem König, seiner zukünftigen Braut und seinen Kindern gegenüber, die er wahrscheinlich niemals haben würde, weil er mit zu vielen Dingen beschäftigt war, um die sich außer ihm niemand kümmern wollte. Freie Zeit und Muße? Nein, so etwas würde er so bald nicht erleben.
Robin musterte ihn schweigend. »Ich habe dich vorher provoziert«, sagte er ernst. »Verzeih mir. Das war vielleicht unbedacht
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