Mein zukünftiger Ex
vor Erleichterung oder Enttäuschung, das war ihr nicht klar. Er stellte seinen Fotoapparat ab und meinte mit ruhiger Stimme. »Und wo sind die Sachen?«
»Weg.« Sallys Mut sank. Sie war so stolz auf sich gewesen. Warum konnte Gabe nicht auch stolz sein?
»Wohin?«
»Bei der Wohlfahrt.«
»Warum?«
»Weil ich eine neue Seite in meinem Leben aufschlagen will« Wenn ihr Bein nicht immer noch schmerzen würde, hätte sie jetzt mit dem Fuß aufgestampft. »Gabe, warum bist du nur so?«
Er zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich weil ich mich frage, warum du so bist. Das bist doch nicht
du
.«
»Oh, um Himmels willen!« Sally hob vor Frust die Stimme. »Mein ganzes Leben lang haben sich die Leute beschwert, wie unordentlich ich bin, und jetzt, wo ich etwas dagegen unternehme, verhältst du dich so merkwürdig.«
»Ich verhalte mich nicht merkwürdig«, sagte Gabe, tat es aber definitiv doch. »Ich frage mich nur, wen du damit beeindrucken willst.« Er betrachtete ihr weißes Kleid und das Make-up und meinte mit angespannter Stimme: »Gehst du heute Abend aus?«
Als ob sie eine Art Prostituierte oder so wäre.
»Ja.« Sally starrte ihn an. »Ist es erlaubt?«
»Mit wem?«
Ehrlich, diese Impertinenz. Sie war von ihrem reizenden Chef Dr. Willis und seiner Frau Emily zum Abendessen eingeladen worden, um ihre Rückkehr zur Arbeit zu feiern. Aber weil sie sich über Gabes Art ärgerte, fauchte Sally: »Bist du vielleicht meine Mutter?« Dann stolzierte sie in ihr Zimmer. Wenn er so gemein und schrecklich sein konnte, dann konnte sie das schon lange.
Als sie zehn Minuten später mit einer schwarz-weißen Reisetasche aus dem Zimmer kam, hob Gabe eine Augenbraue.
»Du bleibst über Nacht weg?«
Sally hatte ursprünglich das freundliche Angebot von Ehepaar Willis abgelehnt, über Nacht zu bleiben, damit sie am nächsten Tag nicht mit der U-Bahn fahren musste, aber nun hatte sie ihre Meinung geändert. Vielleicht war Gabe besserer Laune, wenn sie morgen Abend zurückkam. »Gut geraten, du solltest Detektiv werden. Ach übrigens, du hast da einen B …«
»Was?« Gabe sah von seinem Laptop auf, als sie mitten im Wort verstummte.
Sallys Gehirn ratterte, sie ging die letzten acht Stunden in Warp-Geschwindigkeit durch. Der Brief … wohin war der Brief verschwunden? Sie hatte ihn auf den Couchtisch gelegt, bevor sie in ihren Aufräumfimmel verfallen war, aber da lag er jetzt nicht mehr. Irgendwie musste sie ihn weggeräumt und Gott weiß wo deponiert haben.
»Los schon.« Gabe klang wie Jeremy Paxman, nur ungeduldiger. »Ich habe
was
?«
Also gut, sie konnte es jetzt definitiv nicht gebrauchen, dass er sie anbrüllte, was er aber tun würde, wenn sie ihm die Wahrheit sagte.
»Eine Benachrichtigung von einem Makler. Er hat angerufen und wollte wissen, ob du die Wohnung immer noch vermieten willst.« Im Sprechen humpelte Sally zum Zeitschriftenständer und blätterte panisch die wenigen Zeitschriften durch, die sie nicht den Leuten vom Wohlfahrtsladen mitgegeben hatte.
»Ein Makler? Was machst du denn da?«
»Ich suche … äh, den Zettel, auf dem ich seinen Namen und seine Nummer notiert habe, falls du zurückrufen willst.«
»Warum sollte ich zurückrufen? Ich will die Wohnung nicht vermieten!«
»Nein? Tja, ich dachte, ich schreibe die Nummer besser auf. Ich bin sicher, sie muss hier irgendwo sein.« Also echt, das war das letzte Mal, dass sie jemals aufräumen würde. »Lass mich im Küchenmülleimer nachsehen.«
»Lass gut sein.« Gabe winkte sie von der Küchentür weg. »Mach dir keine Umstände. Wenn ich mit einem Makler reden will, schlage ich in den gelben Seiten nach.«
»Ist gut.« Sie hatte den Brief definitiv weggeworfen. Und jetzt hatte sie ihn auch noch angelogen, aber er hatte sich so blöd verhalten, dass er es nicht anders verdiente. Sie fühlte sich schuldig – allerdings nicht schuldig genug, um ihm alles zu beichten. Sally nahm ihre Reisetasche und ging zur Tür. »Tschüss.«
Gabe beugte sich tiefer über seinen Laptop und scrollte die Fotos des Tages nach unten. Er murmelte »Tschüss«, ohne dabei aufzusehen.
Mistkerl. Er hatte ihr nicht einmal viel Glück für ihren ersten Arbeitstag morgen gewünscht.
Sally griff nach ihrem Stock und humpelte schwerfälliger, als sie eigentlich musste, zur Tür hinaus.
Gabe stöhnte laut und setzte sich auf das Sofa. Er hatte ihr nicht einmal viel Glück für morgen gewünscht. Die letzten zehn Tage waren die Hölle gewesen. Er konnte
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