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Meine 500 besten Freunde

Meine 500 besten Freunde

Titel: Meine 500 besten Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Adorján
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auf. Sie wartete, bis das Wasser ganz kalt war und ließ es sich lange über die Pulsadern laufen.
    »Kannst du mir bitte meine Tasche holen?«, fragte sie Nina, die in einigem Abstand neben ihr stand. »Die müsste auf dem Sofa liegen. Da, wo ich saß.«
    »Ja, klar«, sagte Nina, blieb aber stehen.
    »Bitte, ich brauche meine Schminke. Ich kann doch so nicht wieder zurück.«
    »Bin gleich wieder da«, sagte Nina und verließ den Raum.
    Anna dachte daran, dass ihr Telefon nicht in der Tasche war, sondern auf dem Tisch lag und fast hätte sie Nina hinterhergerufen, aber dann fiel ihr ein, dass Titus jetzt wahrscheinlich schon im Flugzeug saß.
    Sie brachte ihr Gesicht näher an den Spiegel und zog sich die Haut an der Gesichtsunterseite zurück. Dann kniff sie sich ein paarmal in die Wangen, um wieder etwas Farbe zu kriegen. Sie nahm ein Papiertuch aus der neben dem Waschbecken bereitstehenden Box, feuchtete es an und wischte sich damit unter den Augen, wo die Wimperntusche zu schwarzen Schatten verlaufen war.
    Als sie schließlich, frisch gepudert und mit neuem Rouge, zurück in den Raum kam, in dem die Interviews stattfanden, saß die junge Frau von vorhin auf dem Sessel, auf dem zuvor der andere Journalist gesessen hatte. Nina stand in ihrer Nähe, irgendeine Mappe im Arm.
    Anna ging langsam über den dicken, alle Geräusche schluckenden Teppich und setzte sich wieder auf ihren Platz auf den Sessel. Sie legte ihre Handtasche neben sich und griff nach ihrem Telefon. Auf dem Display war angezeigt, dass sie zwei neue Kurznachrichten erhalten hatte. Die erste war von ihrer Mutter, die schrieb, dass sie nun doch um 13 Uhr ins Adlon käme, wo genau sie sich melden solle. Die zweite war von Titus. Ob sie seinen Schlüssel genommen habe. Sie legte das Telefon neben sich aufs Sofa. Ihr Glas Wasser stand immer noch unberührt auf dem Glastisch. Sie nahm es und trank. Der Sprudel prickelte sanft in ihrem Hals. Sie zog eins der Kissen zu sich, mit denen das Sofa dekoriert war, und legte es auf ihre Oberschenkel. Der Überzug war aus Seide und fühlte sich weich an. Sie schob sich ein weiteres Kissen in ihrem Rücken zurecht.
    Nina stand immer noch in der Mitte des Raums und sah Anna mitfühlend an. »Sie schläft jetzt«, sagte sie.
    Anna nickte.
    »Und wo ist … ?« Anna deutete auf den Sessel, auf dem jetzt die junge Frau saß.
    »Der musste weg, aber er meinte, er habe genug für sein Porträt. Du kriegst natürlich die Zitate zum Autorisieren.«
    Wie durch einen Schleier nahm Anna wahr, dass Nina noch irgendetwas sagte und auf die junge Frau deutete, die sich daraufhin in ihrem Sessel aufrichtete. Dann drehte sie sich um, ging hinaus und schloss die Tür.
    Die junge Frau beugte sich vor, um das kleine Tonbandgerät einzuschalten, das sie vor Anna auf den Glastisch gelegt hatte, das Mikrophon in ihre Richtung zeigend.
    »Ja, also, ich fang dann mal an«, sagte sie. »Also zuerst mal wollte ich sagen, dass mir der Film sehr gefallen hat. Vielleicht gleich mal als erste Frage: Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?«
    Sie sah aus, als sei sie wirklich auf Annas Antwort gespannt.



WILLKÜRLICHE AKTE
DER FREUNDLICHKEIT
     
    Ayumi hätte sich bestimmt nicht als wütende Person bezeichnet und auch keiner, der sie kannte, hätte das. Sie war im Gegenteil sehr freundlich, meistens heiter und war, weil sie so viel lächelte, schon oft von Menschen, die sich untereinander nicht kannten und also nicht hatten absprechen können, als »Sonnenschein« bezeichnet worden. Als Fweil sie ssie klein war (klein im Sinne von jung, denn sie maß auch als Erwachsene nur 1 Meter 57), war einmal in der Schulpause eine Lehrerin zu ihr gekommen, hatte sie tröstend am Arm gefasst und gefragt, warum sie denn so traurig sei? Dabei war sie gar nicht traurig gewesen. Sie selbst hatte das Gefühl eines neutralen Gesichtsausdrucks gehabt. Seitdem neigte sie zum Lächeln. Dabei war es wirklich erstaunlich, was mitunter gleichzeitig in ihrem Kopf vorging.
    Ein alter Mann ging langsam vor Ayumi auf dem Bürgersteig, schon gingen in ihr die Schimpfsalven los: Alter hässlicher Mann, dachte es in ihr – denn sie selbst empfand sich daran als nicht beteiligt, hau doch ab, du blöder Wichser, jetzt mach schon, mach hin, geh doch, geh, Arschloch ! Zwei junge Mädchen auf Fahrrädern, und in Ayumis Kopf: Ihr blöden Nutten, das könnte euch so passen, ihr hässlichen kleinen Pissnelken! Hunde waren generell von ihren bösen Gedanken ausgenommen,

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