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Meine beste Feindin

Titel: Meine beste Feindin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crane Sonja Hagemann
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wenig zu arbeiten, dann rückte ich meine Ohrstöpsel zurecht (ich hatte sie während Minervas qualvoller Dudelsack-Phase gekauft und konnte mir gar nicht vorstellen, wie ich je ohne sie überleben konnte) und verbrachte den Rest des Tages damit, Leute zu googeln, auf die ich einen Hass hatte.
    Ein Beispiel: Der Name Henry Farland, so stellte sich heraus, zierte eine stattliche Anzahl von Grabsteinen aus der weiteren Umgebung von Amherst. Ein fleißiger Hobby-Genealoge hatte sie alle mit der Kamera dokumentiert und die Bilder ins Netz gestellt. Allerdings war keiner dieser längst verstorbenen Verwandten eine Reinkarnation des Bösen gewesen. Zumindest den verschwommenen Inschriften auf dem Bildschirm zufolge.
    Auch in der U-Bahn schwelgte ich weiter in meinem Groll, obgleich ich vorgab, ein Buch zu lesen. In der Scheibe sah ich mein Spiegelbild und versuchte, das scheinbar permanente Stirnrunzeln mit tiefen, läuternden Atemzügen wegzuzaubern. Es funktionierte nicht.
    »Girly-Spielchen«. Was für ein bescheuerter Ausdruck. Aber als ich jetzt - Tage später - daran dachte, wie Henry das gesagt hatte, fühlte ich mich kindisch und ein bisschen trotzig.
    Und dennoch, wenn man die Tatsachen betrachtete, war ich doch weder unreif noch trotzig. Mein Geburtstag stand schließlich kurz bevor, und bald würde ich die wilden Jahre zwischen zwanzig und dreißig hinter mir lassen. Sobald ich erst einmal dreißig war, würde ich Ruhe ausstrahlen. Ich würde eine Erwachsene sein. Endlich.
    Dabei war gegen ein bisschen Verrücktheit eigentlich gar nichts einzuwenden, dachte ich, als ich am Hynes Convention Center ausstieg. Durch die viel zu früh einsetzende Winternacht eilte ich nach Hause, die Massachusetts Avenue entlang und dann durch die Boylston Street - war es nicht normal, sich in meinem Alter ein wenig melodramatisch aufzuführen? Soweit ich es beurteilen konnte, lag zwischen zwanzig und dreißig doch praktisch der Sinn des Lebens darin, vollkommen überdreht zu sein. Wenn ich mich mit Leuten unterhielt, die die magische Grenze bereits überschritten hatten, so hörte es sich für mich immer an, als wären sie mit der feierlichen Begehung ihres Dreißigsten quasi einem Gulag der Dramatik entflohen. Mein Geburtstag war am zweiten Januar, und ich konnte es kaum noch erwarten.
    Ich sah die Straße hinunter, zu den Victory Gardens, wo sich Schrebergärten den Muddy River entlang erstreckten. Aus irgendeinem Grund, so dachte ich, schien es Henry Farlands Mission hier auf Erden zu sein, mein bevorstehendes Erwachsensein in Frage zu stellen. Wenn ich mich nur fest genug darauf konzentrierte, würde ich sicher auch eine Möglichkeit finden, seine Schuld an dem Janis-Joplin-Desaster zu beweisen, selbst wenn er an dem Abend gar nicht dagewesen war. Sobald Henry auftauchte, benahm ich mich wieder wie die völlig überreizte Endzwanzigerin, die ich doch so gerne hinter mir lassen wollte, und war dauernd kurz davor, einen Cocktail quer durch den Raum in seine Richtung zu schleudern oder völlig unangebracht vor allen Leuten in Tränen auszubrechen. Diese Endzwanzigerin würde ich aber bald nicht mehr sein. Es war also an der Zeit, mich auch nicht mehr wie sie zu benehmen. Doch konnte ich Henry schlecht ändern. Ich konnte nur meine Reaktion auf Henry ändern. Und sobald ich erst die Zen-Göttin der sozialen Zusammenkünfte wäre, würde ich ihm meine Erleuchtung direkt in seine grinsende …
    Plötzlich blieb ich wie angewurzelt stehen, als ich eine Gestalt vor meiner Haustür entdeckte. Selbst auf diese Entfernung gab es keinen Zweifel.
    Denn obwohl sie - glücklicherweise - in die andere Richtung sah, war ihre zarte, schlanke Gestalt nicht zu verkennen.
    Helen.
     
    Ich hauste bereits seit vielen jämmerlichen Jahren in demselben Apartment. Der große Vorteil aber war, dass ich in dieser Zeit zahlreiche Strategien entwickeln konnte, unwillkommenen Gästen aus dem Weg zu gehen. Helens Erscheinen vor meiner Haustür versetzte mich zwar in Angst und Schrecken, trotzdem hatte sie nicht die geringste Chance, und ich malte mir bereits aus, wie ich, sicher in meiner Wohnung angekommen, sofort zum Hörer greifen würde, um mich in entsprechenden Telefonaten lang und breit über sie auszulassen.
    Ich warf mich in eine Gasse zu meiner Rechten, bevor sie sich womöglich umdrehen und mich sehen würde. Einen Moment lang blieb ich wie erstarrt stehen, überzeugt davon, dass Gott mich strafen wollte und Helen jeden Augenblick meinen Namen rufen

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