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Meine beste Feindin

Titel: Meine beste Feindin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crane Sonja Hagemann
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würde. Aber es war nur der Straßenlärm der vorbeirauschenden Pendler zu hören und in der Ferne das Bellen eines Hundes. Ich ging die enge Gasse zwischen meinem Gebäude und dem Nachbarhaus entlang, bis ich an der Rückseite des Hauses die zugige und nicht sehr vertrauenerweckende Feuerleiter erreichte. Während mich der Duft von Frittiertem und übermäßig viel Knoblauch umwehte, schob ich mich zu den tröstlichen, vertrauten Klängen elektrischer Gitarren im vierten Stock (Studenten des Berklee College of Music) und den Streitereien aus dem zweiten Stock (ein frisch vermähltes Pärchen, munkelte man) bis zu meinem Fensterbrett im dritten Stock hinauf. Wackelige, kalte Sprosse um wackelige, kalte Sprosse.
    Auch das hatte ich in den letzten Jahren lernen dürfen: Sieh niemals nach unten.
    Als ich meine Wohnung endlich erreichte, begann ich, an einem der beiden schweren, alten Fenster zu rütteln, die mir einen Panoramablick auf die heruntergekommene Ziegelwand gegenüber und den schmutzigen Innenhof unter mir boten. Aus Erfahrung wusste ich, dass ich den Haken an der Innenseite lösen konnte, wenn ich das linke Fenster nur lange genug und auf ganz bestimmte Art und Weise bewegte. Danach würde ich hindurchkriechen und in der Ecke meines Schlafzimmers herauskommen, wo sich die Wäsche der Kategorie »schmutzig, aber nicht so schmutzig, dass man sie waschen müsste« anhäufte. Manchmal stapelte sie sich unverkennbar auf einem alten Ledersessel, den Amy Lee und ich zu College-Zeiten auf der Straße aufgelesen hatten, manchmal aber verschwand das Möbelstück vollkommen in der Versenkung.
    Ich rüttelte, und dann rüttelte ich noch viel mehr. Ich hatte völlig vergessen, wie lange man brauchte, und welchen Lärm man dabei machte. Ganz zu schweigen davon, wie kalt und dunkel es draußen auf der Feuerleiter war. Beim letzten Mal hatte mich die wohlige Wärme von zu vielen White Russians umgeben - der Grund, warum Georgia und ich in einem Jahr etwa fünfzehn Pfund zugelegt hatten -, und ich hatte dabei womöglich noch ein fröhliches Liedchen gesummt. Leider war ich an diesem Abend stocknüchtern. In Gedanken schürte ich erneut meinen Hass auf Helen und starrte das Fenster wütend an. So aus der Nähe fiel mir auf, dass ich es auch mal wieder putzen sollte.
    Hinter mir war ein Hüsteln zu hören, und ich erstarrte - ich glaubte tatsächlich, Helen sei mir um das Haus herum gefolgt, vielleicht sogar die klapprige Feuerleiter hinauf. Sie schreckte eben vor nichts zurück. Aber als ich mich vorsichtig umsah, entdeckte ich nur meinen Nachbarn von nebenan, der den Kopf aus dem Fenster gesteckt hatte und mich durch seine riesige Schildpattbrille anstarrte. Vielleicht war er nicht mal unattraktiv, das war bei dem quietschblauen Bademantel und den ungekämmten Haaren allerdings schwer zu sagen.
    Auf jeden Fall war klar, was er mir vermitteln wollte: Mein Nachbar billigte mein Verhalten nicht.
    Was mir relativ egal war. Er war erst vor wenigen Monaten eingezogen, und ich hatte ihn kaum zu Gesicht bekommen. Ich wusste nicht mal, wie er hieß.
    »Oh«, sagte ich. Als sei es völlig normal, mich auf der Feuerleiter anzutreffen. »Hi! Kein Grund, die Polizei zu rufen, ich wohne nämlich hier, ich will nur …«
    »Ich weiß, dass Sie hier wohnen«, grunzte er. »Augusta Curtis, Apartment 309. Ich bin mit Ihren Gewohnheiten vertraut.«
    »Genau, das bin ich«, erklärte ich mit einem breiten, falschen Grinsen. Der Typ sah älter aus als ich, und wie meine Freunde mir immer wieder unter die Nase rieben, wohnten nur Spinner und Freaks noch im Erwachsenenalter in einer Bruchbude wie diesem Mietshaus. »Allerdings werde ich Gus genannt …«
    »Gut, Gus , ich hatte sowieso schon länger vor, mich wegen der Lärmbelästigung mit Ihnen zu unterhalten. Seit ich vor fünf Monaten hier eingezogen bin, habe ich über alle diesbezüglichen Verstöße Buch geführt.« Er zog die Augenbrauen zusammen, als er mich noch finsterer anstarrte.
    Amy Lee hatte sich unheimlich für mich gefreut, als er einzog, weil er nicht der eigentlich zu erwartende College-Student war (die Einzigen, die normalerweise in einem solchen Mietshaus wohnten), und sie hatte geglaubt, sein Bücherwurm-Look sei gleichzusetzen mit intelligent und interessant . Dann aber hatte er begonnen, bei unseren Videoabenden gegen die Wand zu hämmern, und sie hatte ihn zum Staatsfeind erklärt. Wir nannten ihn den Ärgerlichen Erwin. Ich hatte nie genug Interesse aufgebracht, um mal

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