Meine beste Feindin
schließen konnte, dass sie a) keine Hunde mochte, b) vor allem meinen Hund nicht mochte, c) befürchtete, Linus könnte auf sie losgehen, und sich d) am liebsten die Hände gewaschen hätte. Wenn das Theater war, um mich in Gänsehautstimmung zu versetzen, dann verfehlte es seine Wirkung nicht.
Ich beobachtete, wie Helen mein Apartment auf sich wirken ließ, und versuchte mir vorzustellen, wie es wohl in ihren Augen aussah. Die gleichen zusammengeklaubten Möbel und Poster an den Wänden - obwohl ich Letztere vor ein paar Jahren wenigstens eingerahmt hatte, nachdem ich beschlossen hatte, meinen Studenten-Chic zu etwas aufzubrezeln, was besser zu dem Geschmack passte, den ich eigentlich haben sollte. Ich war trotzdem noch immer auf Wohnheimniveau, stellte ich fest, die Faulheit hatte schließlich gesiegt. Abgesehen von den Postern war jeder freie Flecken von Büchern bedeckt. Stapel über Stapel, Bücher, wohin man sah. Eingequetscht in ein Sammelsurium nicht zusammenpassender Regale oder einfach in Stößen, die bis zur Decke reichten. Ich mochte meine Bücher.
Es gab für mich nichts Schöneres als Bibliotheken und Buchsammlungen jeder Art. Mit ein paar vollgestopften Bücherregalen konnte ich mich tagelang beschäftigen. Meine bevorzugte Privatsammlung war die fantastische kleine Bibliothek in Henrys Haus. Ich hatte dort viele schöne Stunden verbracht, während Nate vor dem Sportsender hockte. Vermutlich hatte Henry all die Bücher nur zu repräsentativen Zwecken. Kein Mitglied der New-England-Elite würde auch nur im Traum daran denken, in einem Haus zu wohnen, das nicht eine solch prachtvolle Zurschaustellung intellektueller Betätigung beinhaltete. Aber das musste ja nicht heißen, dass Henry auch nur eines dieser Bücher gelesen hatte. Stattdessen passten sie farblich perfekt zu der schokoladenbraunen Ledercouch vor dem offenen Kamin.
Man braucht wohl kaum zu erwähnen, dass sich mein Apartment nicht mit Henrys Haus messen konnte.
»Wow«, sagte Helen nach einem kurzen Moment, spitzte leicht die Lippen und nickte, während sie sich kerzengerade auf der Sofakante niederließ. »Ich kann mich nicht mal mehr erinnern, wann ich das letzte Mal hier war, aber es sieht noch genauso aus. Hing das Picasso-Poster da nicht bei uns im Wohnheim?«
Sie hätte genauso gut sagen können: Du bist immer noch achtzehn Jahre alt und dämlich. Du hast es nur verdient, dass ich dir Nate wegnehme.
Was sie gesagt haben könnte, dröhnte mir noch immer in den Ohren. Vielleicht verflog meine Verlegenheit deshalb ganz plötzlich und machte der Wut Platz. Geballter, läuternder, stimmgewaltiger Wut.
»Was willst du hier?«, begann ich ohne Umschweife. »Warum rufst du mich ständig an, warum folgst du mir auf die Toilette und tauchst vor meiner Haustür auf? Bist du jetzt unter die Stalker gegangen?«
Der letzte Satz wischte ihr das zuckersüße Lächeln vom Gesicht.
»Natürlich bin ich keine Stalkerin!«
»Und dennoch bist du hier.« Ich breitete die Arme aus. »Warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe?«
»Ich will die Sache doch nur ein für alle Mal bereinigen«, sagte Helen. Sie schnaufte gekränkt. »Das war alles. Aber du musst dich auf meine freundschaftliche Geste stürzen und sie in etwas Gemeines und Hässliches verwandeln.«
»Welche Geste war das nochmal?« Ich tat, als würde ich nicht verstehen. »Meinst du die, als du dich heimlich mit Nate verabredet hast? Oder das Rumgeknutsche, das ich leider mit ansehen musste?«
Helen verschränkte die Arme vor der Brust, und ich konnte förmlich dabei zusehen, wie sie eine fiese Bemerkung herunterschluckte. Wir starrten uns an, während sich Linus zwischen uns auf dem Fußboden fröhlich hin und her wälzte und offensichtlich nichts von den Spannungen im Raum merkte.
»Weißt du, ich kann ja verstehen, dass du sauer bist«, erklärte Helen kühl. »Aber ich war schließlich nicht mit dir zusammen. Ich habe dich nicht betrogen.«
Ich machte den Mund auf, schloss ihn dann aber wieder.
Sosehr es mich auch schmerzte, das zuzugeben, sie hatte Recht.
Ich wollte einfach nur Nate zurück. Ich wollte eine Erklärung und eine Entschuldigung von Helen hören. Und es wurde immer klarer, dass ich vor allem auf sie wütend war.
Philosophisch betrachtet war das ganz abscheulich. Ich war doch schon in College-Zeiten zu dem Schluss gekommen, dass es nichts Erbärmlicheres und Befremdlicheres gab als eine Frau, die ihre Wut an »der Anderen« ausließ. Nicht an ihrem untreuen
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