Meine Brüder, die Liebe und ich - Higgins, K: Meine Brüder, die Liebe und ich
und sehen alle gleichzeitig zu Dad – abgesehen von Elaina, die ihre grünen Bohnen weiter in winzige Moleküle schneidet, die sie dann nicht isst.
„Wovon redest du?“, will Dad wissen.
Meine Eltern haben sich vor etwa einem Jahr scheiden lassen. Es war nicht weiter traumatisch oder hässlich – eher wie ein Spiel, das sie gemeinsam austragen. Obwohl Dad jetzt eine Wohnung in der Innenstadt hat, ist alles andere fast noch wie vorher. Wenn die Heizung ausfällt, ruft Mom ihn an. Wenn das Auto kaputtgeht, ruft Mom ihn an. Sie essen ein paarmal die Woche zusammen, besuchen gemeinsam ihre Enkelkinder, und ich glaube, sie schlafen auch noch miteinander, aber darüber möchte ich eigentlich nicht weiter nachdenken.
„Ich will einen Freund, Mike. Wir sind geschieden, weißtdu nicht mehr? Seit über einem Jahr. Und wie ich dir schon mindestens achtzehntausend Mal gesagt habe, habe ich gewisse Bedürfnisse. Da du dich weigerst, sie mir zu erfüllen, muss ich mich eben woanders umschauen.“
So fängt ihr traditioneller Streit immer an. „Möchte noch jemand Wein?“, frage ich in die Runde.
„Ja, bitte“, antworten alle im Chor.
Meine Eltern lieben sich, aber wie es scheint, können sie nicht glücklich bis an ihr Ende zusammenleben. Es ist nicht leicht, die Frau eines Feuerwehrhauptmanns zu sein. Jedes Mal, wenn Dad abends nicht pünktlich zu Hause war, setzte Mom sich mit grimmigem Gesicht vor den Fernseher und wartete auf Lokalnachrichten von einem Feuer. Und wenn es ein Feuer gegeben hatte, drehte sie ununterbrochen ihren Ehering und schnauzte uns Kinder an, bis Dad – erschöpft, verrußt und trunken vor Adrenalin – nach Hause kam.
Abgesehen von der Angst, seinen Mann durch einen schrecklichen Tod zu verlieren, muss man auch den Alltag mit einem Feuerwehrmann aushalten. Sicher, es ist ein heldenhafter Job. Und ja, die Ehefrauen sind stolz auf ihre Männer. Das sind wirklich tolle Kerle. Aber wie viele Weihnachten und Thanksgivings und Spiele und Schulaufführungen und Konzerte und Sprechstunden und Schwimmwettbewerbe und Essen fanden ohne meinen Dad statt? Dutzende. Hunderte. Selbst wenn er nicht arbeitete, war sein Piepser an, oder er telefonierte mit Kollegen oder ging zu Gewerkschaftstreffen oder organisierte Lehrgänge. An den seltenen Wochenenden, an denen er zu Hause blieb, wurde er bis Sonntagnachmittag so unruhig, dass er zur Feuerwache ging, nur um „mal nachzusehen“.
Dann, vor zwei Jahren, fiel Benny Grzowski, der noch relativ neu dabei war, vom Dach eines brennenden Gebäudes und starb. Er war fünfundzwanzig.
Es gibt kein ernsteres und spektakuläreres Ereignis alsdas Begräbnis eines Feuerwehrmanns. Der O’Neill-Clan war vollzählig anwesend, die Gesichter wie versteinert (außer meinem, denn ich heulte Rotz und Wasser). Auf dem Friedhof marschierten wir am gravierten Grabstein vorbei, lasen Bennys Namen und Daten sowie die traditionelle Inschrift: Ehemann. Vater. Feuerwehrmann. Ich weiß noch, wie Mom mir damals zuraunte: „Für deinen Vater müsste man die Reihenfolge ändern. Heirate nie einen Mann, der seine Arbeit mehr liebt als dich, Chastity.“
Nach Bennys Tod drängte sie meinen Vater, in den Ruhestand zu gehen. Sie wollte Kreuzfahrten unternehmen, Bridge spielen und dem Seniorenclub von Eaton Falls beitreten, der regelmäßig Ausflüge zu Rennbahnen, Spielkasinos, Outlet-Stores und den Niagarafällen organisiert. Sie bat ihn und wartete, bat erneut und wartete, befahl es und wartete und reichte schließlich die Scheidung ein. Ich schätze, sie dachte, er werde dann endlich nachgeben, aber sie wartet immer noch.
Doch wie es scheint, hat sie vom Warten jetzt genug. Ungeduldig starrt sie meinen Vater an und kaut auf ihrem zähen Braten.
„Das ist doch lächerlich!“, ruft Dad. „Du wirst mit niemandem ausgehen!“
„Ach ja? Dann hör mal gut zu“, zischt sie, dreht sich zu mir und sagt: „Chastity, ich habe gehört, du suchst auch einen anständigen Freund?“
„Danke, Mom! Ist schon gut. Können wir das Thema wechseln?“ Ich werde puterrot.
„Ich finde, wir sollten das zusammen angehen“, verkündet sie munter. „Doppelverabredungen.“
„Du meine Güte“, murmele ich. Matt grinst, und ich zeige ihm den Finger.
„Du wirst dich nicht verabreden“, wiederholt Dad. „Du tust das doch nur, um mich zu ärgern, und, wie du siehst, es funktioniert. Genug!“
Unbeirrt fährt Mom fort: „Wir können uns bei einer Online-Partnerbörse registrieren lassen, zu
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