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Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich - Gesamtedition (German Edition)

Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich - Gesamtedition (German Edition)

Titel: Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich - Gesamtedition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Hesse
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den Preis auf dem winzigen Preisschild zu checken, legt Herr Hunold den Kopf schief und schaut mich forschend an.
    „Wie sieht es denn mit einer Gleitsichtbrille aus? Sie sind doch jetzt auch schon in dem Alter.“, meint er. „Gleitsichtbrille? Welches Alter meinen Sie?“, rufe ich entsetzt.
    Er hüstelt verlegen und versucht abzulenken.
    „So ab vierzig. Aber da haben sie ja noch ein paar Jahre“, versucht er zu retten, was zu retten ist.
    „Ich bin erst Neununddreißig.“
    Er grinst erleichtert, dass er nicht ganz so danebengelegen hat. „Na, dann ist ja noch Zeit. Ich dachte nur.“
     
    Am liebsten würde ich jetzt auf der Stelle gehen. Noch so einen Schlag in die Magengrube vertrage ich heute nicht. Die Wahrheit ist, ich habe tatsächlich in letzter Zeit Probleme. Ich dachte immer, wenn man kurzsichtig ist, kann man nicht noch zusätzlich weitsichtig werden. Aber weit gefehlt. Ich habe sozusagen die Doppel-Arschkarte gezogen.
     
    Ich breche Operation Brille mit Keine-Zeit-mehr-Ausflüchten ab und verlasse deprimiert den Laden. Mir fehlt heute einfach die emotionale Stärke. Es ist fast Vollmond, die Vampire kommen und der Werwolf sollte die nächsten Tage besser in seinen Keller gesperrt werden. Nicht, dass ich auf esoterischen Schwachsinn stehe, aber ich bin als Frau unweigerlich dem Rhythmus und Gewalten der Natur ausgesetzt.
     
    Einmal im Monat, bei mir ist fast immer Vollmond, bekomme ich meine Periode. Das funktioniert zumindest noch. Dann verwandele ich mich in einen Lemming aus dem Film mit dem kleinen Eisbären, höre Stimmen: „Niemand mag dich, keiner hat dich lieb. Alles ist schlecht.“ Ich schwemme auf, dehne mich wie ein Luftballon. Das fängt bei den Fingern an und hört an den Füssen auf. Alle machen einen großen Bogen um mich. Bernd reagiert genervt, wenn ich ihn anbrülle. „Bekommst du deine Tage? Dann sperre ich dich besser im Keller ein, bevor die Verwandlung losgeht.“
    Manchmal wünschte ich, es würde wirklich einen Rückzugsort hinter verriegelten Türen geben. Eine Klitzekleinigkeit genügt und ich gehe in die Luft. Und als ob das nicht genug wäre, quält mich mein Hormonhaushalt mit mindestens zwei Tage übelster Migräne. Das ist das Sahnehäubchen oben drauf. Dann verwandelt sich mein Werwolf in einen Zombie, der das Ende der Schattentage herbeisehnt. Ein Déjà-vu Monat für Monat, seit über 25 Jahren. „Wenn du erst mal die Wechseljahre hinter dir hast, hört das auf“, tröstet mich meine Mutter, wenn ich ihr wieder einmal mein Leid klage.
     
    Ist das der Preis, den ich für meine Fruchtbarkeit zahlen muss? Hat die Natur es so eingerichtet, dass man irgendwann förmlich um die Wechseljahre bettelt?
     
    Ich hole Lena von meiner Mutter ab, schäle zuhause Kartoffeln im Akkord und schmeiße die Putenfilets in die Pfanne und den Broccoli in den Topf. Dreißig Minuten später muss ich wieder in den Kindergarten. Schnell binde ich mein Haar zum losen Zopf, schnappe mir meine Jüngste und entferne im Autospiegel den verschmierten Kajal unter den Augen. Mit Pfannkuchen unter dem Arm, nach Bratenfett riechend und mit Fettspritzern auf dem Shirt komme ich im Kindergarten an.
     
    Neben mir parkt Frau Rosario, die ihren blitzblanken weißen BMW X5 direkt neben meiner fahrenden Müllhalde parkt. In unserem Auto herrscht striktes Essverbot, immer wenn ich in der Waschstraße war und stundenlang Keks und Brötchenkrümel aus allen Ecken kratzen und saugen musste. Doch spätestens wenn Lena sich bei längeren Autofahrten abschnallt und die Meckerei unerträglich wird, reiche ich ergeben alles nach hinten, was essbar ist und der Wagen sieht aus wie immer.
     
    Frau Rosario steigt aus, lächelt mir kurz und unverbindlich zu, winkt dann einer anderen Mutter aus der Gruppe zu und marschiert vor mir her.
    „Ach hallo Gitta, du ich habe es nicht mehr geschafft anzurufen. Ich war gerade noch auf dem Markt und habe ganz frisches Gemüse für mein Ratatoullie gekauft. Du, lecker, sag ich dir, ganz frisch. Ist ja doch was anderes, als wenn man es im Laden kauft.“
    Dann schwärmt sie von dem tollen Biobauern, der gar nicht mal so teuer ist, wenn man bedenkt, was man den Kindern für Pestizide erspart.
    Wie schafft es Frau Bio-Schickimicki Ratatoullie in einer weißen Jeans zu kochen? Vor dem Gruppenraum scanne ich unauffällig ihre Klamotten, kann aber weder auf der Jeans noch auf ihrer knitterfreien rosa-weiß gestreiften Bluse mit dezentem Pferdchen Emblem auch nur den Hauch

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