Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich - Gesamtedition (German Edition)
möchte nicht riskieren, dass ich zu spät zum Kindergarten komme, nur weil mein Orientierungssinn mir wieder einen Streich spielt. Warum markiert man Parkhäuser nicht kundenfreundlicher? Ein paar bunte Bilder an der Wand sollten ausreichen, um sich zu recht zu finden. Stattdessen nur grauer Beton, verwinkelte Gänge und eine Etage gleicht der nächsten.
Am Halloween Sonderstand decke ich mich mit Deko für Saras Geburtstagsparty ein. Sie wird Sechs, wünscht sich eine echte Gruselparty und kann den ersehnten Tag kaum noch erwarten. Geburtstag zu haben ist etwas ganz besonderes. Das sagt Connis Tante Frieda auch jeden Abend. Seit August zieht Sara sich mindestens dreimal am Tag „Conni feiert Geburtstag“ auf CD rein. Obendrauf muss ich die Geschichte jeden Abend vorlesen. Wenn der große Tag dann vorbei ist, kann ich mich darauf einstellen, die anschließenden zweieinhalb Monate mit „Conni feiert Weihnachten“ gefoltert zu werden.
Mit einer Riesentüte künstlicher Spinnweben, Plastikspinnen, schwarzer Kakerlaken, einem Gummiskelett, einem Totenkopfkerzenständer und einer schaurigen Monstergummimaske ziehe ich weiter Richtung Basement.
In der Parfümabteilung sprühe ich ein bisschen hier, schnuppere ein bisschen da und bleibe beeindruckt vor einem großen Plakat in der Unterwäschenabteilung stehen. Ein überdimensionaler, schlanker Modell Unterkörper preist ein pinkes Zauberhöschen an. Eine Sensation, die Taille, Hüfte und Po verschmälert und uns Frauen dabei auch noch sexy und appetitlich aussehen lassen soll.
Ich zögere. Den Kauf einer Hüfthose schiebe ich seit zwei Jahren auf. Zu tief würde der Stachel sitzen, wenn ich mir eingestehen müsste, dass ich an diesem Punkt angelangt bin. Bisher ummantelten die taillenhohen Mikrofaser Panties meine Problemzone noch einigermaßen. An besonderen Tagen, bei denen es heißt konkurrenzfähig zu sein, reichen die nicht mehr aus.
Ich erinnere mich schmerzhaft an Bernds diesjährigen Firmen Osterbrunch mit Partnern. Ich stand morgens heulend in meinem einzigen, für diesen Anlass passenden Kleid. Ein schwarzes Etuikleid, was früher einmal die Vorzüge meiner weiblichen Rundungen hervorhob. Nun betonte es meine Bauchproblemzone. Angewidert betrachtete ich mich in unserem Schlafzimmerspiegelschrank von der Seite.
„Ich sehe aus wie schwanger“, schrie ich hysterisch. Und ich möchte verdammt nochmal nie wieder schwanger aussehen. Seit Lenas Geburt meide ich Blusen oder Tunikas im Empire Stil, die auch nur ansatzweise nach Umstandsoberteil aussehen. Denn eigentlich sehe ich immer ein bisschen trächtig aus. Das liegt natürlich hauptsächlich an meinem ausgeprägtem Hohlkreuz und einen verschwindenden Teil an dem holländischen Vla Pudding, den ich mir vorzugsweise abends auf dem Sofa reinhaue.
„Jetzt zieh halt irgendwas an“, rief Bernd entnervt und klopfte hektisch auf seine Armbanduhr. Ein Alternativ Outfit gab es auf die Schnelle nicht. Hätte ich das verfluchte Kleid schon abends probeweise übergeworfen, hätte ich mit ein paar sanften Abführmitteln die Plauze in den Griff kriegen können. Aber so war es zu spät, Frühstück und eine halbe Flasche Wasser blubberten fröhlich vor sich hin. Ich lief den ganzen Tag mit eingezogenem Bauch herum, aß und trank so wenig wie möglich, um meinem Bauch nicht noch mehr auszudehnen. Gegen vier Uhr nachmittags schob ich solchen Kohldampf, dass ich Hungerhalluzinationen bekam und das Osterlamm „Iss mich doch“, mähen hörte.
„Ich trage eine Miederhose, die sogar über die Oberschenkel geht. Aber erzähl es nicht weiter“, verriet mir Karin, die Frau von Bernds Chef, als ich über ihren flachen Bauch in dem Sommerkleid staunte und fragte, ob sie abgenommen hätte. Ihr stand der Schweiß auf der Stirn, doch sie hielt die Ritterrüstung mit Anstand und Würde aus.
Manchmal muss Frau Opfer bringen. Ich schnappe mir also die pinke Wunderwaffe und marschiere in die Umkleidekabine. Dort quetsche und zerre ich an dem guten Stöffchen, bis es da sitzt, wo es soll. Mann, ist das eng und starr. Das Spiegelbild zeigt so gar nicht, was ich eben auf dem Plakat bewundert habe. Okay, der Bauch ist definitiv flacher, der Darm küsst ja auch die Niere. Aber alles, was nicht in die Eingeweide gedrückt werden kann, quillt heraus. Wie ein Hefeteig, der aus der Kuchenform herausquillt. Mit der sinnlichen Silhouette auf dem Plakat hat das nicht viel gemeinsam.
Ich kaufe das Teil
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