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Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Matzing
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(angesichts meiner beschränkten Finanzen, die für eine Duplexgarage reichen könnten), dass ich relativ entspannt bin. Der Immobilienteil kann mir nun nichts mehr anhaben. Ich vermute, die ganze Haus-Garten-Thematik wird sich bald erledigen. Noch lange werden wir im Stadtzentrum wohnen und schon bald über diese schrullige Gartenidee meiner Frau lachen können. Falsch gedacht.

    Pia und ich haben noch etwas Zeit, und ich lese: von Mieten, von - wir sind ja in München - steigenden Mieten, vom Mietpreisspiegel und von Mietminderung,
von Mietervereinen und Mieterschutzgesetzen, von bösen und auch von wenigen guten Vermietern. Wir sind ja in München. Und da ist er, der Gedanke, dass alles Miete ist - im Leben. Wirklich alles.
    Alles ist temporär, alles ist im Werden und Vergehen und ändert sich unentwegt. Deshalb ist Eigentum vollkommen sinnlos. Und Grundstückseigentum ist die Steigerung von Eigentum.
    Das meine ich jetzt nicht so wie Karl Marx, sondern eher in Richtung Downshifting. Downshifting heißt eigentlich »Runterschalten«. Seit einigen Jahren schon wird überall runtergeschaltet: Man tritt kürzer im Beruf. Was, das sollte man schon dazu sagen, das genaue Gegenteil ist von Kurzarbeit. Wer runterschaltet, muss erst mal den Luxus der oberen Gänge erlebt haben. Die meisten Menschen dürften froh sein, wenn sie endlich mal den zweiten Gang reinbrächten.
    Downshifter sind also immer auch ein bisschen zynisch. Diogenes, dies nebenher, ist die Stilikone des heutigen Zynikers. Auch meine.
    Das Runterschalten war jedenfalls schon vor der großen Krise in bestimmten Kreisen sehr in Mode. Jetzt aber hört man immer öfter von Exmanagern, die lieber eine Almhütte eröffnen, statt am Burn-out-Sydrom oder am Dow, am Nikkei oder auch nur am Dax zu leiden. Das Downshifting unserer Nullerjahre ist sozusagen die Antwort auf die hochtourigen neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts. So was spricht sich herum, weshalb sich nun überall Menschen darüber streiten,
was denn nun größeren Spaß macht: der Verzicht aufs neue Handy oder der Verzicht aufs neue Navi.
    Wenn das so weitergeht mit dem allgemeinen Downshiften, dann könnte man bald Zeuge folgender Szene werden: Es treffen sich zwei Männer. Zufällig und nach vielen Jahren. Vielleicht kannten sie sich im Studium und haben sich dann aus den Augen verloren. Sie bleiben also stehen, begrüßen sich und taxieren einander, wie das nur Männer können. Das heißt: Sie scannen ihr Gegenüber in Bruchteilen von Sekunden und errechnen aus der Formel Sonnenbrillenmarke mal Haarschnitt plus Autoschlüsselkonstante ins Quadrat, ob der jeweils andere es geschafft hat. Und schaffen meint anschaffen, anhäufen, auftürmen. Nämlich allerlei hübsches Zubehör. Der eine Mann müsste dann sagen: »Mein Haus, mein Auto, mein Pferd.« Wie in der Werbung. Und der andere Mann müsste erwidern: »Meine Villa, meine Yacht - und meine Pferdepflegerin.«
    Aber diesmal, im Downshifting-Zeitalter des Diogenes, läuft es anders. Der eine Mann fächert also drei Fotos auf und sagt herausfordernd: »Das waren: mein Haus, mein Auto, mein Pferd - alles verkauft, weg, futsch, nada!« Doch der andere Mann lächelt nur. Er weiß jetzt, dass er der Bessere ist. Im Downshifting macht ihm keiner was vor. Deshalb sagt er herablassend, während er ebenfalls drei Fotos zückt: »Und das waren: mein Schloss, meine Tankerbeteiligung und meine Aktienoptionen - alles den Bach runter! Total
alle. Das waren Millionen. Was sagt du jetzt?« Sieg nach Punkten.
    So wird das kommen. Frauen werden damit protzen, dass sie die Prada-Tasche durch eine Aldi-Tüte ersetzt haben. Die Kinder werden einander stolz erzählen, dass ihr Handy jetzt schon zehn Jahre alt ist und keine Features hat. Abteilungsleiter werden im Büro eine Flasche Petrusquelle ohne Kohlensäure kreisen lassen, um ihre neue untergeordnete Stellung mit noch weniger Verantwortung und noch weniger Gehalt zu feiern. Downshifting: Das ist das Motto der Zeit. Niemand kauft in solcher Zeit ein Grundstück. Hörst du, Pia? Niemand!
    Und nun ergeht es mir wie dem Zyklopen in seiner dunklen Höhle. Odysseus hatte sich ihm als »Niemand« vorgestellt und ihm dann das Auge zerdeppert. Nun läuft der erblindete Zyklop tobend herum und plärrt: »Niemand hat mich verletzt!«
    Pia sagt: »Du bist Niemand, wirst schon sehen.« Genau. Niemand baut ein Haus. Ein Haus für Niemands Frau und Niemands Kinder.
    Wenn man weiß, dass man dereinst nichts und niemanden

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