Meine Frau will einen Garten
ein gewaltiges Gurkenfundament und vergrößert zugleich die Tellerfläche um das Doppelte. Ganz große Ingenieursbaukunst. Die anderen Gäste an der Salatbar rücken sichtlich beeindruckt von dem Mann ab. Denn jetzt geht’s erst richtig los. Jetzt kommen die Karottenplatten, die Eierpaneele und die dauerelastischen Radieschenkugeln. Und immer wieder: Zwischengurkengeschosse. Als raumbildende Konstruktion dienen Paprikaträger und Selleriestützen. Tomaten- und Olivendämmplatten kommen auch zum Einsatz. Erst am Ende wird der irre Salatberg mit einer Mischung aller vorhandenen Salatsoßen übergossen. Es gießt wie aus Kübeln.
Der Häppchenjäger ist also eine besonders maßlose Sonderform des Schnäppchenjägers. Interessant ist das Studium des Häppchenjägers insofern, als man als Zuschauer alles über die Ästhetik und das Wesen des Angstsparens, des Pfennigfuchsens, des Angebot-Checkens sowie des Billig-Salat-Schaufelns in der Geiz-istgeil-Gesellschaft erfährt.
Psychologen und Marketingexperten wissen, dass bei Worten wie »Rabatt«, »Gelegenheit« oder »Schnäppchen« das Gehirn seine Tätigkeit von den für Vernunft zuständigen Arealen in den Bereich der Irrationalität verlagert. Man kann praktisch nichts dagegen tun. Es gibt deshalb sogar Handelsketten, die ihren Kunden versprechen, das Geld für ein Produkt zurückzuzahlen, wenn man die gleiche Ware in einem anderen Kaufhaus billiger entdeckt. Auch der Fabrikverkauf, die Outletburgen im Umland, die Discountparadiese: All das funktioniert nur, weil wir, sobald wir »Rabatt« hören, reagieren wie der Pawlowsche Hund, der beim bloßen Anblick von Futter sabbert.
Gut möglich, dass es bei Menschen schon dann passiert, wenn sie ein Rabattschild sehen.
Schnäppchen lösen angeblich einen Schub des Nervenbotenstoffs Dopamin im Gehirn aus - und damit auch einen Handlungsimpuls. Wir greifen einfach zu. Bildaufnahmen des Gehirns belegen, dass Dopamin bei attraktiven Kaufanreizen eine Struktur im Vorderhirn aktiviert - den Nucleus accumbens -, der auch bei der Entstehung von Süchten eine wichtige Rolle spielt. Für die Vernunft zuständige Bereiche unseres Großhirns werden durch rauschähnliche Glücksgefühle vorübergehend lahmgelegt. Sagt die Wissenschaft.
Deshalb können aus scheinbar zivilisierten Menschen unter Umständen rücksichtslose Raubtiere werden.
Kann also gut sein, dass ich einem sabbernden Hund
gleich auf dem Schnäppchengrundstück stehe, die Pupillen wie unter Drogenkonsum geweitet, und bereit bin, die Gelegenheit eines absurd schmalen Grundstücks gegen die vermuteten tausend anderen Interessenten, die mir Bauernfeind andeutet, nach Art eines Raubtieres zu verteidigen. Dieses Grundstück gehört mir. Das ist mein Knochen. Ich kann nichts dafür. Der Nucleus accumbens ist schuld. Zu meiner eigenen Verblüffung höre ich mich sagen: »Herr Bauernfeind, ich bin sehr interessiert. Ein tolles Grundstück, wirklich. Fabelhaft.«
Pia ist seit langem klar, dass wir uns in München nur ein Problemgrundstück leisten können. Einen Baugrund zwischen zwei Autobahnen zum Beispiel. Oder etwas in der Einflugschneise des Flughafens. Oder radioaktiv verseuchten Boden. Jetzt haben wir endlich unser Problem entdeckt, nach dem wir so lange gesucht haben: das superschmale Problemgrundstück in Bestlage, das niemand will. So schmal ist es, dass man wegen der Bauordnung und der notwendigen Grenzen zu den Nachbarhäusern nur ein Haus darauf bauen kann, dass exakt 5 Meter 50 breit ist. Sagt Bauernfeind.
Dann kommen die Bedenken, meine alten Begleiter. Und die werden nicht geringer, sobald ich Freunden von dem Superschnäppchengrundstück erzähle. Wenn sie die Adresse nämlich googeln, finden sie dort kein freies Grundstück. Ich muss ihnen dann erklären, dass wir von einem schon bebauten Grundstück wie
mit einem spanischen Schinkenhobel ein hauchdünnes Scheibchen abschneiden werden, um darauf ein Haus zu bauen. Aber Pia glaubt daran. Jetzt zahlt sich mein jahrelanger Widerstand aus: Sie ist Feuer und Flamme für das Restgrundstück - sonst, denkt sie, springe ich gleich wieder ab. Sie geht mit mir so behutsam um wie der Angler, der den Karpfen anbeißen sieht.
Wobei ich sagen muss: Für meine schmale Frau ist ein schmales Haus keine besondere Herausforderung. Für mich schon.
Um den Unterschied deutlich zu machen: Meine Frau kann eine geöffnete Tüte Chips mit übermenschlichen Kräften wieder zurück in den Schrank stellen. Ich nicht. Die Frage
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