Meine Frau will einen Garten
wird also sein: Passe ich in ein Haus, das später vermutlich aussehen wird, als wohnten dort Elfen? Würde sich das Haus, von dem ich bislang annahm, es könne sich eigentlich nur als ernstes, kaum lösbares Finanz-, Ehe- und Urbanismus-Problem erweisen, würde sich dieses Haus in letzter Konsequenz als noch viel drastischeres und noch viel unlösbareres Diät-Problem erweisen?
Ich werde in einem Haus leben, in das ich nicht mehr reinkomme, sollte ich mal irgendwann zehn Kilo zunehmen. Oder ich sitze auf dem Sofa, esse ungesundes Knabberzeug beim Fußballgucken, dann gibt es Verlängerung, dann Elfmeterschießen, und weil das alles so lange dauert, und weil das ungesunde Knabberzeug nicht mehr unter Kontrolle zu bringen ist, nehme ich auf dem Sofa sitzend zehn Kilo zu und komme die
Treppe nicht mehr runter. Geschweige denn aus dem Haus raus.
Es gibt Bilder von Menschen, die mit dem Kran aus einem Haus gehoben werden. Werde ich einmal an einem Kran hängen, weil ich zu viel Bier getrunken habe?
Das Haus wird sich anfühlen wie ein zu schmal geschnittener Anzug. Wie ein Pulli, der zu heiß gewaschen wurde. Nicht, dass schmale Häuser nicht irgendwie typisch wären für München. Aber dass es gar so schmal ist, stimmt dann doch bedenklich. Ich erzähle einem Kollegen davon. Er sagt, dass im Mittelalter alle Häuser ganz schmale Stirnseiten hatten, weil nach der Breite vorne an der Straße die Steuer bemessen wurde. Aber hinter ihren schlanken Stirnen seien die Häuser unfassbar in die Breite gegangen: Sie hätten sozusagen monströs fette Hinterteile gehabt.
Keine Ahnung, was ich schlimmer finde: das fette Hinterteil oder das Diät-Problem.
In ihrem Song »Once In A Lifetime«, der nicht zufällig so heißt wie der deutsche Fernsehmehrteiler »Einmal im Leben« aus dem Jahr 1972, in dem die Familie Semmeling ein Haus baut und damit so komisch wie bemitleidenswert scheitert, in diesem Song singt die amerikanische Band »Talking Heads« sinngemäß: Man kann in einem Shotgun Shack leben, also in einer Schrotflintenbude, in einem falschen Teil der Welt - oder aber man lebt im richtigen Teil der Welt, und zwar zusammen mit einem riesigen Auto, einer tollen Villa und einer wunderschönen Frau.
Nun sieht es ganz so aus, als ob mich das Schnäppchengrundstück dazu führen würde, der stolze Eigentümer einer Schrotflintenbude zu werden.
Für Pia kein Problem. Sie sagt: »Elvis ist auch in so einem Haus geboren worden. Und Elvis ist viel besser als die Talking Heads.«
Sie hat Recht. Pia kennt sich aus in der Baugeschichte. Ich habe das alles nachgelesen. Es stimmt. Das Schrotflintenhaus ist eine amerikanische Erfindung, kommt aus dem Süden der USA und wurde hauptsächlich zwischen dem Bürgerkrieg und den zwanziger Jahren gebaut. Meistens für ärmere Leute. Denn das Kennzeichen eines Schrotflintenhauses ist die extrem lange, schmale und rechteckige Form. Traditionell errichtete Shotgun Houses bestehen demnach aus dünnen Holzwänden und haben zwei bis fünf Zimmer, die alle ohne Flur aus Platzspargründen direkt auf einer Ebene hintereinander angeordnet sind.
Daher Schrotflintenhaus. Wenn man mal mit jemandem abrechnen muss, der in so einem Haus lebt, stellt man sich einfach mit der Schrotflinte vors Haus und ballert los. Da alle Zimmer hintereinanderliegen und alle Wände dünn sind, ist die Chance groß, einen Treffer zu landen.
Nicht, dass mich das jetzt beruhigt hätte. Aber Elvis, immerhin.
Ich hätte nie gedacht, dass ich mir mal, indem ich mich bis zum Äußersten verschulde, ein Arme-Leute-Haus erbauen würde. Aber wie die Talking Heads
schon singen: »… und du wirst dich fragen: Wie komme ich nur hierher?«
Das ist übrigens ganz genau die Frage, die sich Bruno Semmeling in der Fernsehserie »Einmal im Leben« auch immer gestellt hat. In den siebziger Jahren war die Sendung, die immer am Sonntag lief, ein Gassenhauer, ein Straßenfeger. Bruno Semmeling ist darin ein Ingenieur in einer Hamburger Maschinenfabrik mit einem durchschnittlichen Einkommen. Er und seine Frau Trudchen haben die ständigen Mieterhöhungen satt und wollen ihren Traum vom Eigenheim verwirklichen. Sie nehmen einen Kredit auf, beginnen mit dem Bau und erleben dabei nichts als Katastrophen. Der Bauunternehmer ist ein Desaster, der Polier eine Tragödie. Die Architekten sind Debakel, jeder für sich. Alles geht viel langsamer als erwartet, und als Bruno wegen Betriebsferien in der Fabrik endlich Zeit hat, den Hausbau selbst zu
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