Meine Frau will einen Garten

aussehen, als ob es schon immer so ausgesehen habe. Wenn Häuser hierzulande nur nicht so ein unendliches Verfallsdatum in Anspruch nehmen würden, würde man sich vielleicht leichter entscheiden
können zum Bau eines Hauses. Vielleicht sollten Häuser doch Modeerscheinungen sein.

    Erschwerend kommt hinzu, dass man das Haus nicht allein kauft - sondern zusammen mit einer Bank und einem Notar.
    Der Notar heißt Dr. Kreuzpaintner. Die Verkäuferin des Grundstücks, Frau Ottendichl, dazu Herr Ottendichl, Makler Bauernfeind, Pia und ich treffen uns Anfang April im Notariat am Marienplatz. Ich bin so aufgeregt wie bei meiner Hochzeit. Merkwürdig ist, dass sich auch Dr. Kreuzpaintner so anhört wie ein Pfarrer. So salbungsvoll. Und immerzu reibt er sich die Hände und blickt nach oben. Was mich angeht: Das ist gar nicht falsch. Wer ein Grundstück kauft und kein Immobilienexperte ist, der sollte schon etwas Gottvertrauen aufbringen.
    Der Vertrag wird geschlossen. Merkwürdiges Gefühl: Mein Grund und Boden! Mein! »Ja«, sagt Pia, »und deine Schulden.« Dann küsst sie mich so innig wie schon lange nicht mehr, Halbesel hin, Waschbär her. Wieder draußen, am Marienplatz, fällt Schnee, obwohl es April ist. Das halte ich für ein göttliches Zeichen, weiß aber nicht genau, ob es ein gutes oder schlechtes Zeichen ist. Ich rufe die Bank an.
    Die Bank hat einen Namen: Daniela Bär. Das ist die Kundenbetreuerin einer Bank, die nach einer ostdeutschen Stadt benannt ist beziehungsweise war. Jetzt trägt sie nur noch den Kommerz im Namen. Seit meiner Studienzeit
bin ich dort Kunde. Ich fürchte, ich habe Frau Bär schwer enttäuscht.
    Sie hat mir alles beigebracht. In stundenlangen Gesprächen hat sie mir erklärt, was man über Nettodarlehen und Disagio, über Bereitstellungszins und Teilvalutierungszins, über Zinsbindung und Tilgungssatzänderung wissen muss. Es war nicht leicht. Und dann bin ich zur Internetbank gegangen. Wegen ein paar günstigeren Prozentelchen. Der Immobilienmarkt ist hart. Der Immobilienkreditmarkt ist noch härter. Weshalb es der Welt ja auch so schlecht geht gerade. Ich bin daran nicht unschuldig.
    Aber es ist wichtig - dieses Gefühl, sich bloß nicht über den Tisch ziehen zu lassen. Man verbringt halbe Nächte in den einschlägigen Internetforen, um sich über Hausanschlusskosten oder die günstigsten Spengler im Großraum München zu unterhalten. (Es gibt keine günstigen, schon gar keine günstigsten Spengler im Großraum München.) Immer wieder googelt man »Baukosten«. Einmal lasse ich das Feld mit der Angabe zu den geplanten Quadratmetern Wohnraum versehentlich leer. Das automatische Computerprogramm lässt mich wissen: »Sie haben 0 qm angegeben. In diesem Fall beträgt der Preis 0 Euro. Sie haben dafür 0 qm Wohnraum.« In dieser Deutlichkeit habe ich den Immobilienmarkt zuvor nie verstanden.
    Männer vergleichen sich gern. Anzahl der PS, Anzahl der Kinder, Anzahl der Affären, Anzahl der noch verbliebenen Haupthaare, die geeignet sind, von rechts
nach links gekämmt zu werden. Und Männer, die Häuser bauen, vergleichen sich auch gern. Es ist selten, dass jemand ein Haus kauft und bar bezahlt. Der Rest erhält seine Distinktion durch den effektiven Jahreszins. Dann steht man gemeinsam am Tresen, und jemand sagt mit breiter Brust: »4,75, nominal 4,65, auf fünfzehn Jahre.« Man weiß dann, was gemeint ist.
    Der mit der breiten Brust bin ich. Als der Vertrag geschlossen wird, im März, ist dieser Zinssatz geeignet, andere Hausbauer in die Schranken zu weisen. Dann kommt die Weltkrise, die Zinsen sinken. Würde ich noch einmal einen Baufinanzierungsvertrag schließen, könnte ich ein paar zehntausend Euro sparen. Hausbauen ist Vertrauenssache? Es ist russisches Roulette. Auf hoher See, vor Gericht und im Angesicht fallender oder steigender Zinsen kann man nur noch auf Gott vertrauen.

    Wir zahlen Monat für Monat das Darlehen ab. Mit je einem dicken Batzen Geld. Ich werde das bis zum Jahr 2023 tun. Dann werde ich nur noch 316.313,99 Euro Schulden haben. Und keine Ahnung, wie ich dieses Geld aufbringen soll. Wir haben uns im Angesicht des Notars für den Rest des irdischen Daseins bis Oberkante Kreditlimit verschuldet, aber das macht nichts. Die Politik verspricht allen systemisch wichtigen Akteuren Unterstützung und billiges Geld. Im System meiner Familie bin ich relevant. Außerdem macht der Staat jetzt in den nächsten vier Jahren dreihundert Milliarden
Euro neue Schulden. Wenn das mal