Meine Frau will einen Garten
dort nicht breiter bauen. Ist Gesetz.« Und ihr mitfühlender Blick sagt, nicht fürs LBK-Protokoll gemeint: »Du armer Wicht.«
Ich rufe Bauernfeind an. Bauernfeind fragt, ob ich denn die LBK so ganz ernst nehmen will. Ich sage: »Ja, ich will.« Tja, sagt Bauernfeind, da sei mal was gewesen, irgendetwas mit abgelehnten Bauanträgen. Schon lange her. »Also. Genau weiß ich das nicht mehr.« Bauernfeinds Lodenschnurrbart hebt sich beteuernd. Das sehe ich förmlich durchs Telefon. Er sagt: »Rufen Sie die Ottendichl oder noch mal die LBK an. Oder beide.« Ich rufe die Ottendichl an.
Die Ottendichl sagt: »Keine Ahnung, das muss Bauernfeind wissen. Rufen Sie den an.«
Ich rufe den Notar an. Der Notar sagt, dass der Vertrag gültig ist. Ich rufe die Bank an. Die Bank sagt, dass der Vertrag gültig ist. Dann flehe ich die LBK an. Ich sage, dass niemand auf einem Grundriss leben kann, der nur 4,78 Meter breit sei, jedenfalls keine Familie mit zwei normalen Kindern und einem beängstigend
raumgreifenden Jungen. Max ist die Abkürzung von »maximal«, wir hätten unseren jüngsten Sohn Min nennen sollen. Die LBK sagt, sie kann nichts versprechen, man würde sehen, das müsse man prüfen.
Diese Prüfung gerät zu der härtesten meines Lebens. Nach vier Wochen, es ist schon Mai, habe ich endlich einen Termin bei der LBK. Mein Schicksal sagt mit strahlendem Lächeln: »Wir können Ihnen helfen. Statt 4,78 kann das Haus 4,80 Meter breit werden. Wir haben einen kleinen Fehler im Bebauungsplan entdeckt. Also: Zwei Zentimeter mehr, wie klingt das?«
»Gut. Sehr gut.« Ich schleiche aus dem Amt auf die Straße.
Pia sagt später: »Besser als nichts.« Typisch Pia. Einfach nicht unterzukriegen.
Soll ich einen Campingplatz für Einmannzelte aus meinem Grundstück machen? Einen Golfabschlagplatz? Einen Schießstand?
Zum Vergleich suche ich nach 4,80-Breiten. So verbringe ich einen Tag am Computer. Dann werde ich fündig. Mein zukünftiges Haus wird exakt zwei Millimeter breiter sein, als ein Porsche Cayenne lang ist.
Auf diese zwei Millimeter lege ich Wert. Die LBK auch.
Wir fangen an, Pläne zu zeichnen. Lauter Grundrisse, die so aussehen, als wollte sich Gulliver in einem Reihenendhaus der Schlümpfe einrichten. Es ist ein elendes Geschiebe, Gedrücke und Gequetsche. Unser Haus wird, wenn wir so weitermachen, am Ende aussehen
wie ein schlecht gepackter Koffer. Vermutlich wird das Haus eines Tages platzen und zerknautschte Hemden und verbeulte Unterhosen in die Freiheit entlassen. Wir wissen keinen Ausweg. Dann sagt Pia: »Wir brauchen einen Architekten.« Ich nicke nur. Schlimmer kann es nun ja nicht mehr kommen. Von wegen.
9. Kapitel, in welchem Holzfällerhemden eine Rolle spielen, dazu Sanitärstraßen und Malergassen in der utopischen Baumarktwelt. Außerdem zeigt sich, was eine Zaunnachbarschaft im Innersten zusammenhält: Es ist die Motorsäge.
Sommer, es beginnt die Zeit der Arbeitsteilung. Pia macht sich auf die Suche nach einem sensiblen Architekten, der unser Platzproblem löst, und ich mache mich auf die Suche nach einer durchgreifenden Kettensäge. Unser Grundstück ist herrlich eingewachsen und wird vor allem von wild wuchernden Haselnuss-Sträuchern mit armdicken Stämmen sowie von ein paar hässlichen Kiefern gesäumt. Wer hier bauen will, wie schmal auch immer, das ist klar, der muss wenigstens ein freies Baufeld haben.
Allerdings ist es so: Der Bauunternehmer, der uns vermutlich nach den Entwürfen eines Architekten das Haus bauen soll, wird vermutlich einen Batzen Geld nur für die »Entfernung des Baum- und Strauchbewuchses, einschl. Wurzelstock-Ausgrabung und Komplettentsorgung« berechnen. Das weiß ich von Freunden. Es ist auch einschlägigen Internetforen zu entnehmen, die dazu raten: »Selbst ist der Mann.«
Dabei haben wir unser Grundstück aus zwei Gründen gekauft. Erstens natürlich, weil es eingeklemmt zwischen zwei anderen bebauten Grundstücken so schmal und billig ist. Zweitens aber auch deshalb, weil
es so hübsch eingewachsen ist, so wild romantisch und verwahrlost. Total grün. Und dann sagen alle: Bäume weg. Sträucher weg. Wurzeln weg. Der Bagger kommt sonst nicht durch, man kann den Kellerschacht nicht ausheben … Was weiß denn ich. Jedenfalls: Es wird kosten.
Pia sagt deshalb: »Kannst du das nicht selbst machen?«
Kann ich das?
Eines Abends beim Spätdienst in der Redaktion lese ich eine Meldung, die frisch reinkommt: »In Minden hat sich ein 43 Jahre alter Arbeiter beim
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