Meine Frau will einen Garten
reicht. Meine Privatschulden liegen deutlich darunter. Wobei ich denke, dass ich kreditwürdiger bin als die BRD. Aber all das beruhigt mich trotzdem nicht.
Denn Bauen, sagen alle, die schon mal gebaut haben, wird immer teurer als gedacht. Das ist angeblich seit den Pyramiden so. Auch Schloss Neuschwanstein wurde von dem betroffen, was man heute »Kostenexplosion« nennt. Davon ist in der Zeitung immer wieder mal die Rede. Es ist, als wäre alle Tage Neujahr: Die Kosten steigen überall wie schillernde Raketen zum Himmel, um dort oben mit großem Getöse zu explodieren. Runter fällt dann nur noch ein mit angesengter Pappe verkleidetes Holzstäbchen, um in einer Schneepfütze zu verglühen.
Ein Beispiel: »Die ursprünglich veranschlagten Baukosten«, lese ich über die Fertigstellung einer Bundesstraße, »vervierfachen sich durch notwendig gewordene Planungskorrekturen.« Man bekommt eine gewisse Sensibilität für solche Nachrichten. Ich lese inzwischen auch den Teil der Zeitung, der mich bis zum Hauskauf noch nie interessiert hat: den Wirtschaftsteil. Allein schon die Überschriften sind großartig: »Traktorengeschäft zieht an«, »Nähmaschinenhersteller im Zickzackkurs«, »Ölbranche zündelt«.
Planungskorrekturen sind die Freunde des Wirtschaftsteils und die Feinde der baukostenempfindsamen Leser. Die Baugeschichte der Welt ist voller abstruser Baukostenskandale: »Mit inzwischen 280 Millionen
Pfund (452 Millionen Euro) haben sich die geschätzten Kosten des ambitionierten Projekts« - es geht um das neue Parlament in Edinburgh - »im Vergleich zum ursprünglichen Ansatz bereits versiebenfacht.« Unfassbar. Und das bei den geizigen Schotten. Oder die Sanierung des sogenannten Unteren Turms im unterfränkischen Haßfurt: »Statt der veranschlagten 208 000 Euro kostete das Bauwerk am Ende rund 570 000 Euro.« Armes Haßfurt! Das Wembley Stadion in London? »Die Baukosten explodierten von 500 Millionen auf fast 1,2 Milliarden Euro.« Der bayerische Transrapid? Den gibt es gar nicht. Umso staunenswerter ist es, dass auch dessen Kosten explodieren konnten: »Die an dem Projekt beteiligten Unternehmen hatten kurzfristig ihre Kostenschätzung auf 3,4 Milliarden Euro erhöht, nachdem sie noch ein halbes Jahr zuvor zugesagt hatten, mit 1,85 Milliarden zurechtzukommen.« Bauherren, das zeigt die Geschichte, sind am Schluss immer Leute, die sich getäuscht haben.
Obwohl also immerzu Baukosten explodieren, sehnen sich alle Menschen derzeit ganz irrational nach Immobilien. Das ist die »Flucht in die Sachwerte«. Man träumt von Häusern und Immobilien als letztem sicherem Hort. Man weiß ja nie so genau, wie das nun wird mit den Fantastilliarden Schulden in der Welt und mit der drohenden Inflation.
Zu Hause haben wir ein Buch über die Zeit in Deutschland vor dem Krieg, als die Inflation zu grotesken Folgen führte. Ich lese Pia daraus vor, seit wir
Grundbesitzer sind, bilden wir uns volkswirtschaftlich weiter.
Pia hört sich deshalb auch die Erinnerungen einer sehr alten Frau an, die die große Inflation noch mitbekommen hat: »Wir saßen auf der Treppe, und plötzlich rief meine Mutter: Kinder, einkaufen! Kaum hatte sie Geld bekommen, musste man es sofort in Waren beziehungsweise Lebensmittel investieren, es verlor stündlich oder noch schneller an Wert. Wir bekamen einen Zettel und das Portemonnaie und gingen mit dem Dienstmädchen zum Kaufmann, Milchladen, Fleischer, Bäcker. Manchmal wurde es, während man in der Schlange anstand, schon teurer, dann musste einer nach Hause rennen und mehr Milliarden holen.«
Pia sagt: »Siehst du, Sachwerte. Ein Haus.«
Ich sage: »Aber damit hat doch alles angefangen. Mit den Häusern!«
Sie sagt: »In Amerika. Hier sind die Banken viel strenger. Wir brauchen hier viel mehr Eigenkapital. Und eine Immobilie in München ist praktisch eine Lebensversicherung mit garantierter Rendite.«
Das muss sie irgendwo gelesen haben. Und es zielt auf einen kleinen Tick, den ich mir zugelegt habe in den letzten Monaten. Ich reise gelegentlich. Berufsbedingt, nichts Tolles: Aber in Deutschland komme ich rum. Und wann immer ich vor einem Sparkassenschaufenster in irgendeiner deutschen Provinzstadt stehe, studiere ich die Immobilienangebote. Dann rufe ich Pia an.
»Hier, das glaubst du nicht, ich bin gerade in Hoyerswerda bei der Sparkasse. Immobilienangebote. Ich lese vor: ›Stadtnahe Villa mit zehn Zimmern. Parkähnliches Grundstück. 240 000 Euro. ‹ Hörst du? 240 000 Euro.
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