Meine Frau will einen Garten
Roller von Max und mit meinem großen Alukoffer. Es lebt dort auch ein Schachspiel, bei dem die schwarze Dame fehlt und eine blauviolette Vase, die uns mal ein Gast geschenkt hat, der daraufhin von der Stammgästeliste gestrichen und zur Bewährung auf die Ersatzgästeliste gesetzt wurde.
Die Kammer ist meine Wunderkammer. Die Staubmäuse darin sind so groß, dass man sie als Killerstaubmäuse an Hollywood vermieten könnte. Schon wenn man die Kammer betritt, knarrt einen das löchrige Parkett an, als habe ihm seit hundert Jahren niemand mehr was zu essen gegeben. Eine mickrige 40-Watt-Glühbirne gibt keine Helligkeit im eigentlichen Sinn, eher sieht es so aus, als ob diese Birne eine muffige Dunkelheit
verströmt und das bisschen Licht, das durch die Türritzen einsickert, auch noch wegtrinkt.
Die Kammer ist eng, dunkel und staubig. Schön.
Wenn man die Inlineskates herausholt und dafür einen Regenschirm zurück aufs Regal schiebt, schiebt man auch einen von Antons Fußbällen vom Regal, der dann auf verstaubten Schuhen landet, die nicht so gut riechen. Es sollte mir ein Rätsel sein, warum ich die Kammer mag.
Das ist es nicht. Ich kenne das Geheimnis der Kammer: Sie hält die Welt und meine Ehe zusammen. Kraft ihres Zaubers. Ihre Magie ist die des Imperfekten und Provisorischen.
Als wir in die Ismaninger Straße eingezogen sind, vor Jahren, da habe ich in der Umzugshektik ein paar überzählige Regalböden an die Wand geschraubt, die leicht schief geraten sind, seither wackeln und immer wieder mal herunterfallen. »Macht nichts«, dachte ich mir damals. »Das ist nur ein Provisorium, das mache ich gerade, sobald ich Zeit dazu habe.«
Nun ist aber das Leben so eingerichtet, dass man aus Prinzip nie Zeit dazu hat, weshalb es hauptsächlich aus schiefen Provisorien und schlecht angeschraubten Regalen besteht, die darauf warten, dass die Menschen endlich mal Zeit für sie haben. Es weiß aber niemand, was passiert, wenn die schiefen Provisorien begradigt werden. Es gibt die Theorie, dass schiefe Provisorien in verstaubten, der gnadenlosen Effizienz entzogenen Räumen der Kitt des Lebens sind. Das moderne Paradies
würde meiner Meinung nach aussehen müssen wie unsere Kammer.
Zu Pia sage ich: »Die Zeiten, die Räume, die Dimensionen, die Kulturen, die Gesellschaften: Nimmt man ihnen die schiefen Regale und darunter die Staubmäuse weg, bricht alles auseinander. Plötzlich hätte man das Gefühl, eine grundsätzlich unlösbare Aufgabe erledigt zu haben, woraufhin sich die Menschheit aufmachen würde, neue Herausforderungen und neue Aufgaben zu suchen. Nichts wäre gefährlicher als das.« Pia guckt mich an, ein bisschen müde.
Pias Taschensammlung in der Kammer hält in letzter Konsequenz die Welt im Gleichgewicht. Das ist der Grund, warum ich Pias Taschensammlung, die mich normalerweise nur nervt, als ordnungspolitisches Fundament akzeptiere. »Sogar deine Taschensammlung ist deshalb okay«, sage ich versöhnlich zu ihr.
»Ich habe keine Taschensammlung.« Pia kommt sogar hinter ihrem geliebten Mac-Bildschirm hervor, um diese schamlose Unterstellung und groteske Übertreibung meinerseits scharf zurückzuweisen. »Andere Frauen haben viele Taschen. Ich habe nur wenige Taschen.«
Das will ich genau wissen. In der Kammer zähle ich acht Taschen. »Du findest, acht Taschen sind wenig? Acht Damenhandtaschen?«
»Ja.«
Aus einer Umfrage geht hervor, dass einige Frauen notfalls auf die private Krankenversicherung verzichten
würden, um sich eine besonders schöne Tasche zu gönnen. »Pia, würdest du auf deine private Krankenversicherung zugunsten einer schönen neuen Tasche verzichten?«
»Nein«, sagt sie, »erstens habe ich keine private Krankenversicherung, sondern nur eine private Krankenzusatzversicherung, und zweitens ist eine private Zusatzversicherung genauso wichtig wie eine private Zusatztasche.« Der Punkt geht an Pia. Männer werden den Taschenstreit niemals gewinnen.
Wenn Pia nicht in ihrer Tasche nervös nach dem Autoschlüssel, nach Lippenstift, Notebook, Taschenbuch, Handy, Hausschlüssel, kleinem Mitbringsel für Max, großem Mitbringsel für Anton, neuem Nintendospiel für Julia, nach Taschentüchern oder Kugelschreibern wühlen kann, wird sie nervös. Ich dagegen werde nervös, wenn ich eine Tasche dabeihaben muss.
Ich hasse Taschen aller Art. Höchstens die Hemdenbrusttasche geht in Ordnung. Manchmal nehme ich nicht mal eine Brieftasche mit, dann stecke ich die gefalteten Zehnerscheine
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