Meine Frau will einen Garten
Crushed-Ice-Würfel in meinen neuen Gintonic. Es ist schon der dritte.
In Pias Augen sehe ich, dass sie gern sagen würde: »Mein Mann dankt.« Aber Sven muss ihr dringend
die üppige Küchenlandschaft zeigen: zum Beispiel die »Induktionskochfelder mit Twist-Pad-Bedienungsknebeln«. »Toll«, sagt Pia. Wer sie kennt, weiß, wie unfassbar gelangweilt sie ist. Aber Sven, dieser Dummschädel, wirkt umso animierter und will Pia schon wieder mit sich schleifen.
Daher greife ich ein und erzähle ihm, dass im späten 19. Jahrhundert eine »Vorschneidemaschine für alte und zahnlose Leute« auf den Markt gekommen sei, in der eingelegte Speisen seniorengerecht zu kleinen Häppchen zermalmt werden konnten. »Weil die aber 25 Mark kostete, konnten sich alte und zahnlose Leute die Vorschneidemaschine gar nicht leisten, deshalb wurde daraus ein Kultobjekt für Reiche. Das war der Beginn der Küchenrevolte, an dessen Endpunkt deine tolle Küche steht.«
Sven weiß nicht recht, ob ich nicht nur wahnsinnig, sondern auch betrunken bin, und sagt daher nur: »Ist ja irre.« Aber ich bin sicher, dass er sich in einem der hochspezialisierten Küchenläden, die inzwischen aussehen, als handelten sie mit Atomtechnik, beraten lassen wird. Sven gehört zu den Leuten, bei denen das Wort »Kult« den Greifreflex auslöst. Pia schaut mich böse an.
Ich schlendere ins Wohnzimmer, wo Franz gerade ein kleines Rätselraten veranstaltet. Sie will von ihren Gästen wissen, aus welchem Holz das neue Sideboard ist.
»Eiche geölt«, sagt jemand. Ein anderer: »Nein, das ist Eschenholz.«
»Alles falsch«, findet Marion, die zu den netteren Gästen gehört, »das ist Vogelahorn, oder?« Ich sage: »Fichte natur.« Alle lachen. Da fühle ich mich schon besser. Der vierte Tonginic tut endlich seine Pflicht und hilft mir, das perfekte Heim der perfekten Leute nicht mehr als Vorraum zur Hölle des guten Geschmacks zu erleben.
Es gibt eine Alptraumvorstellung, die mich gelegentlich plagt. In diesem Traum bin ich in einem Manufactum-Geschäft eingeschlossen, über Nacht, umgeben von Dingen, die so großartig und schön sind, dass man nur darüber sagen kann: »Es gibt sie noch, die guten Dinge.« In diesem Traum sehne ich mich nach billigen Plastikmöbeln und hässlichem Nippes, während ich den Ausgang suche und immer nur Buchenholztischbesen mit Ziegenhaarbesatz oder Kleiderbügel aus Sauener Eiche finde, die als Winterholz mondphasengerecht geschlagen wurde.
Franz beendet jetzt das Spiel und erlöst die Rätselschar von ihrem Unwissen. Sie sagt: »Douglasie. Das Sideboard ist aus Douglasie.« Anmutiger als sie kann das niemand sagen. Dou-gla-si-e. Das möchte man sich sofort ins Poesiealbum schreiben.
Das sage ich auch Pia auf dem Nachhauseweg und mache Franz nach, wie sie sich fast lüstern Dou-gla-si-e auf der Zunge zergehen lässt, als bestünde ihr Sideboard aus weißen Trüffeln. Pia findet mich langweilig und sagt: »Lass die doch, die haben ein sehr schönes Haus und einen guten Geschmack, den sie sich ein bisschen
zu sehr anmerken lassen. Na und? Was ist dabei? Das tut nicht weh.«
»Doch, mir schon.«
»Sei nicht so zimperlich. Sonst gehen wir morgen zu Manufactum.« Sie kichert und nimmt mich in den Arm. Zu Hause mache ich uns noch einen eigenen Gin and Tonic und serviere ihn ohne Crushed Ice, aber mit Kerzenlicht. Es wird eine sehr nette kleine Nachfeier mit viel Gelächter, hauptsächlich auf Svens Kosten, was mir extrem gut gefällt.
Am nächsten Morgen lese ich Pia wieder einmal einen Artikel vor, einen, der vom Beautyful-House-Syndrom handelt, während sie so tut, als würde sie noch schlafen. Draußen hört man Anton und Max. Sie streiten in der Küche um die letzte Kindermilchschnitte, die erstens ungesund ist. Und zweitens sollen sie nicht streiten, sondern teilen. Drittens sollen sie schlafen. Es ist Wochenende. Viertens schläft deshalb auch die Polizei, also Pia.
Ich lese: »Aus meiner Sicht sind es zwei bittere Wahrheiten, warum kaum ein Paar vor dem Beautyful-House-Syndrom sicher sein kann: Ein perfektes Haus ist immer perfekter als die Beziehung. Design ist kompromisslos, Dasein nicht. Und: Das Traumhaus lässt keine Entscheidung zu, die man auf die Verhältnisse schieben kann. Worüber ließe sich denn jetzt noch jammern, wenn alles Wünschbare in der Überdosis da ist?«
»Ja, worüber nur?« Pia dreht sich zu mir um und gibt mir einen Kuss. »Ich bin sicher, dir würde schon noch etwas Bejammernswertes
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