Meine Frau will einen Garten
einfallen.«
12. Kapitel, in welchem das Leben entworfen wird, wie es sein soll.
Der Mensch, sagt der Philosoph Alain de Botton, denke zu viel über Stil nach anstatt über die Frage, wer er sein möchte. Pia zeichnet seit einer halben Stunde, um die schon längst gestellte Hausaufgabe für die Gräuliche zu erledigen. Morgen, am Montag, ist endgültig Abgabe. Die Architektin will, dass wir »ganz spielerisch« einen Grundriss für unser Haus zeichnen. Draußen scheint ein schöner Sonntag anzubrechen. Ein erster heißer Tag im Juli.
Mir ist warm, ich mache die Balkontür auf. Schweini und Poldi fiepen mich an und wollen Salat. Meerschweinchen fressen wie blöd Salat, als wollten sie rasch schlank werden, um bei »Deutschland sucht das Superschwein« eine gute Figur zu machen. »Bald«, sage ich leise zu ihnen, »bald schon sitzen wir drei in Pias Garten, wo sie Unmengen von Salat für uns anbauen wird. Ihr könnt dann in einem großen Stall direkt auf unserem Sport- und Spielrasen herumtoben, wie gefällt euch das?« Sie fiepen. Dann senke ich die Stimme: »Aber nachts kommt dann der Wolf. Das ist so am Stadtrand in Einfamilienhaussiedlungen. Dort leben ganz viele böse Tiere.« Das Fiepen hört auf. Pia fragt, mit wem ich rede. »Nichts, Schatz.« Ich gehe wieder an den Tisch.
Grundriss. Spielerisch. Die Gräuliche ist gut. Wenn
ich das könnte, würde ich sie nicht bezahlen müssen. Aber Pia meint, das würde uns nur guttun. Also starre ich seit einer halben Stunde auf mein weißes Blatt und fühle mich wie vor 25 Jahren, als ich im Biologie-Abitur saß und keine Vorstellung vom Zitronensäure-Zyklus hatte. Ich wusste nur, dass es ein langer Weg sein würde von der Citratsynthase bis zur Malat-Dehydrogenase, was auch immer das sein und wo auch immer sich solches ereignen mag. Ich schiele zu Pia rüber. Sie nimmt das Lineal und rechnet schon die Quadratmeter aus. Vier zusammenhanglose Striche befinden sich auf meinem Papier. Wie soll ich das Bett hinstellen? Wohin kommt das Regal? Was tun wir mit dem Fernseher? Ich will mein Leben entwerfen, darf nicht über Stil nachdenken und soll mich fragen, wer ich sein möchte. Mieter scheidet als Antwort bald aus. Unverschuldeter Mieter ist schon ausgeschieden. Unverschuldeter, in der Mitte der Stadt und inmitten herrlicher Provisorien lebender Mieter macht es auch nicht mehr lange.
Ich zerknülle das Papier und lasse mir von Pia mein neues Leben zeigen. Walter Benjamin hat über das Wohnen gesagt, dass die Anordnung der Möbel zugleich der Lageplan der tödlichen Fallen sein kann. Das sehe ich ebenso. Pia sagt, ich sei unerträglich. So werde das nie was. »Reiß dich zusammen. Es ist klasse, wenn man sich mal neu entwerfen kann.«
Das hört sich nach Pia 2.0 an. Ich weiß nicht, ob ich das will. Die Original-Pia reicht mir völlig. Ihr Grundriss sieht sehr aufgeräumt und trotzdem gemütlich aus.
Auch nicht zu groß und nicht zu klein. 140 Quadratmeter für fünf. Ist doch okay.
»Schau mal«, sagt sie, »hier steht dein kleines Sofa, und hier, im Keller, ist ein winziger Abstellraum nur für dich, genauso groß wie ein Kasten Bier.« Pia 1.0 weiß, wie man mich fröhlich stimmt. Pia 2.0 dagegen: Der wäre ich einfach nicht mehr gewachsen. Ich zeichne in einem Anfall von Verliebtheit nach wirren Kriegs- und Ehejahren einen großen Kringel in ihren Plan: »Und hier ist dein Bad. Nur deines. Ehrlich. Ich platze da nie mehr rein.« Sie strahlt mich an. Pia 2.0 würde ich nicht so leicht drankriegen. Wir lachen beide. Und beide merken wir, dass es langsam anfängt, Spaß zu machen. Den Spaß, sich ein neues Leben vorzustellen.
Es ist Montag. Die Architektin sieht sich Pias Plan an, schmunzelt und greift nach einem sehr dicken Bleistift. »Das machen wir so, das so und das so. Und das so. Hier.« Sie reicht uns das Blatt zurück, an dem Pia so liebevoll gearbeitet hat. Es sieht aus, als hätten die Alliierten Deutschland mit dem großen Geodreieck unter sich in aller Hast aufgeteilt. Überall dort, wo wir geheimnisvolle Bierabstellplätze oder streng bewachte Damenboudoirs vorgesehen haben, in den Winkeln und Ecken eines Hauses, die ja so wichtig sind, überall dort ist jetzt freier Raum, gerade Kante, schnörkellose Ordnung. Die Gräuliche hat unser Leben einer Flurbereinigung unterzogen. Dann sagt sie, sie werde jetzt das Ganze mal ein paar Tage durchdenken, dann sehe
man sich wieder. »Auf Wiedersehen, auf bald.« Wieder draußen zeige ich Pia den roten Apfel, den
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