Meine Freundin Jennie
mit Jennie vergleichen läßt...», erwiderte Buff, und dann ging sie mit ihrer Mutter um die Ecke und weiter am Cavendish Square entlang, so daß Peter nicht mehr hören konnte, was sie sagte, aber er hatte das Gefühl, als wäre ihm soeben ein Stein auf die Brust gefallen, ebenso schwer wie der Pflasterstein, über den er gerade hinwegkroch, und in seinen Ohren hallten noch Buffs letzte Worte wider:
Wie gut wußte er jetzt, wo er sie vielleicht für immer verloren hatte, daß Jennie unvergleichlich war!
Es hatte also keinen Zweck mehr, hier auf Jennie zu warten. Im Grunde seines Herzens hatte er ja immer gewußt, daß Jennie, wenn sie dagewesen wäre, ihm geantwortet haben würde, mochte sie auch noch so böse auf ihn sein.
Wo aber sollte er sie nun zunächst suchen? In der Befürchtung, sie könne ihn inzwischen noch einmal vergeblich in der Katzenherberge gesucht haben, rannte er in gestrecktem Galopp auf das ausgebrannte Haus zu und zwängte sich so hastig durch den Türspalt unter der losen Planke, daß er sich beinahe sein eines Ohr eingerissen hätte. Und natürlich war Jennie nicht da, stellte er dann betrübt fest. Er traf überhaupt nur noch wenige Katzen in dem Obdachlosenasyl an, die er außerdem alle nicht kannte. Wenn wenigstens Putzi und Mutzi noch dagewesen wären! Er hätte sich mit Vergnügen noch einmal von ihnen beschimpfen lassen, nur weil sie die letzten waren, die hier mit Jennie gesprochen hatten. Aber wahrscheinlich hatten sich die beiden Schwestern wie die anderen auf die Mäusejagd begeben oder stöberten in irgendwelchen Müllkästen nach etwas Genießbarem herum.
Plötzlich kam ihm der Gedanke, daß Jennie wahrscheinlich ganz woanders hin gelaufen war, weil sie hier, wo sie eine so große Enttäuschung erlebt hatte, nicht mehr hatte bleiben mögen.
Am klügsten erschien es ihm jetzt, in ihren alten Schlupfwinkeln im Hafenviertel nach ihr zu suchen, und je mehr er darüber nachdachte, desto überzeugter wurde er, daß sie nur dorthin gelaufen sein konnte. So machte er sich also auf den Weg und lief Tag und Nacht unermüdlich weiter, und weil er immerfort an Jennie denken mußte, wurde es ihm gar nicht bewußt, was für eine erfahrene und gewandte Großstadtkatze er dank Jennies weisen Lehren und gutem Training geworden war. Der Straßenlärm und selbst irgendein unvermutetes Geräusch erschreckten ihn nicht mehr, und ganz mechanisch wich er jedem Hindernis aus. Er konnte jetzt im Handumdrehen irgendwo unterkriechen und sich verstecken, denn wo immer er sich auch befand, stets suchte er sich instinktiv einen Schlupfwinkel aus, wo er sich, wenn ihm plötzlich eine Gefahr drohte, noch rechtzeitig in Sicherheit zu bringen vermochte. Aber er tat das, ohne sich dessen bewußt zu werden, da er gerade den qualvollen Zustand durchlebte, fortwährend Halluzinationen zu haben, denn in jeder kleinen Tigerkatze, die zusammengerollt auf der Schwelle einer Ladentür lag oder auf einer Fensterbank saß und sich putzte oder an einem Bretterzaun hinunterglitt, glaubte er Jennie zu erblicken.
Weil seine Sehnsucht nach Jennie jeden anderen Gedanken verdrängte, hatte er das Gefühl, als mache sein Herz jedesmal, wenn er um eine Ecke bog, einen Freudensprung, denn jedesmal dachte er wieder, jetzt würde er Jennie begegnen; und wenn er irgendwo eine Katze mit einem gestreiften Fell sah, hatte er, ganz gleich, welche Farbe die Katze hatte oder wie groß sie war, zunächst die Illusion, das sei Jennie, um gleich darauf die Enttäuschung zu erleben, daß sie es doch nicht war.
Und schließlich geriet er in einen Zustand, in dem er sich einredete, hinter der nächsten Ecke würde er sie bestimmt finden, und rannte deshalb, so schnell er nur konnte, darauf zu. Wenn er sich dann aber umschaute, konnte er weit und breit keine Katze erblicken, sondern nur ein paar Kinder, die im Rinnstein spielten, oder eine lange Schlange von Hausfrauen, die vor einem Schlachterladen oder einem Schokoladengeschäft anstanden, und manchmal auch nur einen Hund, der schnüffelnd über die Straße lief. Dann setzte sich in Peter die Überzeugung fest, daß Jennie bestimmt dagewesen, aber gerade in dem Augenblick, als er angerannt kam, um die nächste Ecke gelaufen war und er sie, wenn er mit größter Geschwindigkeit weiterraste, dort abfangen könne.
Diese fortwährende Hetzjagd führte natürlich bald zu einem Zustand völliger
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