Meine Freundin Jennie
Jennie plötzlich aus der Beschützerin in ein schutzbedürftiges Wesen, denn sie hörte sofort auf, zu weinen, und blickte geradezu ehrfürchtig zu Peter auf. «Das habe ich auch nicht eine Minute lang geglaubt, Peter», versicherte sie ihm. «Du hast ja schon von Anfang an vor nichts Angst gehabt, und wahrscheinlich war es gerade das, was mir gleich so gut an dir gefiel. Ach, es tut so gut, jemanden zu haben, auf den man sich verlassen kann!»
Bei diesen Worten überkam Peter die tröstliche Gewißheit, daß er, was immer auch das Schicksal für ihn bereithalten mochte, ruhig hinnehmen würde. Denn nicht nur war ein Leben ohne Jennie für ihn undenkbar, was er ja schon am ersten Tag gewußt und was sich ihm während der langen Tage und Nächte seiner Suche nach ihr immer wieder bestätigt hatte, sondern er hatte ja mit diesem häßlichen gelben Kater, der ebenso sehr ein heimtückischer Raufbold und Prahlhans wie ein Tyrann und Despot war, noch eine kleine private Rechnung zu begleichen. Denn mochte er jetzt auch selber in der Haut eines Katers stecken, ein weißes Fell und vier Pfoten, einen buschigen Schwanz, Schnurrhaare und Katzenaugen haben, war er doch immer noch Peter Brown und dachte in vieler Hinsicht immer noch wie ein Mensch, wie ein kleiner Junge, der einen Soldaten zum Vater hatte. Sein Vater hatte ihn gelehrt, nie eine Beleidigung einzustecken und für das, was er für richtig hielt, einzustehen und sich gegen jede Art von Unterdrückung zur Wehr zu setzen, ganz gleich, wie die Chancen für ihn standen. Wichtig war also nur, daß hier eindeutig ein Fall vorlag, wo er kämpfen mußte, und die Folgen waren daher ganz nebensächlich.
Das erklärte er nun Jennie oder versuchte es wenigstens, so gut er konnte, und als er es ihr auseinandergesetzt hatte, trocknete sie zu seiner Überraschung ihre Tränen, hörte auf, sich anzuklagen, und erhob auch keine Einwände mehr, sondern wurde fast von einer Minute zur anderen ein völlig neues Geschöpf. Das kam Peter jedoch nur im ersten Augenblick so vor, denn was er durch seine Erklärung und seinen Entschluß wiedergewonnen hatte, war sein alter guter Kamerad, sein Partner und sein Beistand, eben jene Jennie, die er seinerzeit kennen und lieben lernte — zuverlässig, treu und beständig, sachlich, vernünftig und immer mit einem klugen Rat zur Hand und bemerkenswert tüchtig und selbstbeherrscht.
«Also hör mal zu, Peter», sagte sie resolut, denn mit dem sentimentalen Gejammer und Geflenne war es nun endgültig für sie vorbei, «in einer Hinsicht kann ich dir wenigstens von Nutzen sein. Ich kann dir immerhin ein paar Dinge zeigen, die du in keinem Buche finden wirst und von denen vielleicht auch Dempsey nichts weiß, und kann mit dir trainieren. Du wirst dich aber hart machen müssen, Peter, und vergessen, wie wir zueinander stehen, weil ich dir weh tun werde, und du darfst nicht zögern, auch mir weh zu tun, denn es ist mir bitter ernst damit, und wie ich dir schon sagte: bei diesem Kampf gibt es keinen Pardon! Wir haben kaum drei Tage Zeit, denn dann wird Dempsey kommen und mich holen. Das ist nicht viel, aber es gibt uns doch die Möglichkeit, noch etwas zu trainieren. Dempsey weiß nichts von dir, also wird er sich bestimmt nicht auf einen Zweikampf vorbereiten, aber da er sich ja ständig mit irgendwem rauft, ist er eben immer in Form. Trotzdem...»
«Um welche Tageszeit will er denn kommen?» fragte Peter.
«Nachts», erwiderte Jennie. «In drei Tagen, gegen Mitternacht. Er wird draußen auf mich warten und nur in die Öffnung von dem Eisenrohr hineinrufen. Da ich ihn immer wieder vertröstet habe, wird er sehr ungeduldig sein und mit jedem, der sich ihm in diesem Augenblick in den Weg stellt, kurzen Prozeß machen.»
«Aha», sagte Peter, «ich verstehe. Du bleibst einfach hier, und an deiner Stelle krieche ich aus dem Rohr heraus. Nun, auf der Straße ist ja Platz genug...»
«Das ist leider ein Vorteil für Dempsey», sagte Jennie, «denn er ist der beste Straßenkämpfer, den es seit Generationen in dieser Gegend gegeben hat. Aber das können wir nicht ändern. Er ist viel zu schlau, als daß er sich hier ins Haus locken ließe. Sonst hättest du ja versuchen können, ihn im Tunnel zu überfallen und dort umzubringen.»
Peter starrte seine Freundin verblüfft an und sagte dann vorwurfsvoll: «Aber das wäre nicht fair, und ich würde das nie tun.»
«Ach, Peter», entgegnete Jennie, «bei einem solchen Zweikampf gibt es keine Begriffe wie
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