Meine Freundin Jennie
jetzt aussehe und was für ein übler Bursche dessen Nachfolger geworden sei, worüber Jennie betrübt den Kopf schüttelte; aber sie lachte, als Peter ihr von seinem Wiedersehen mit der Gräfin von Greenock erzählte und wie Mealie gejammert hatte, daß wieder so viele Mäuse und Ratten an Bord wären und daß Jennie und Peter sich doch wieder anheuern lassen sollten.
Nein, die Veränderung, die mit Jennie vor sich gegangen war — denn daß sie sich verändert hatte, entging Peter keineswegs —, äußerte sich nicht in ihrem Verhalten ihm gegenüber, sondern in einer gewissen Zerstreutheit und darin, daß sie zuweilen mit einem gequälten Ausdruck in ihrem Gesicht wie geistesabwesend vor sich hin starrte. Auch entfernte sie sich manchmal, ohne ihm zu sagen, wohin sie ging, und kam dann stets mit einer noch verstörteren Miene zurück, was Peter in dem Gedanken, daß sie irgendeinen geheimen Kummer haben müsse, nur bestärkte.
Dabei war sie zu Peter eher noch liebevoller als sonst, so großzügig und rücksichtsvoll, und womöglich noch besorgter um sein Wohlergehen und seine Gesundheit (und da er jetzt wieder regelmäßig aß, kam er auch sehr bald zu Kräften); auch nahm sie jede Gelegenheit wahr, ihm freundlich zuzulächeln und selbst dem geringsten seiner Wünsche zuvorzukommen. Und hin und wieder erhob sie sich plötzlich, lief auf ihn zu und fuhr ihm ohne ersichtlichen Grund rasch mit der Zunge ein paarmal über Augen und Wangen oder über seinen Nacken. Daraufhin sah sie ihn mit dem denkbar zärtlichsten Ausdruck, aber zugleich tieftraurig an, und in ihren fast durchsichtig klaren Augen schimmerte es feucht. Ja, es war kein Zweifel möglich, daß irgend etwas Jennie schwer bedrückte, aber was es wohl sein mochte, darüber zerbrach Peter sich vergeblich den Kopf.
Und es ließ sich auch nicht leugnen, daß sich seit seinem Abenteuer mit Lulu zwischen ihm und Jennie eine gewisse Scheu und Zurückhaltung bemerkbar machte, denn sie vermieden es beide, die Gedanken des anderen allzu genau zu erforschen, damit sie nur ja nicht unversehens in ein Seelenkämmerchen eindrangen, das die warnende Aufschrift «Privat ¡»trug, und dadurch womöglich kaum vernarbte Wunden wieder auf-rissen, die noch zu frisch waren, um nicht bei jeder Berührung empfindlich zu schmerzen. Das war auch der Grund, der Peter davon abhielt, sie geradeheraus zu fragen, was sie denn auf dem Herzen habe und ob er ihr nicht auf irgendeine Weise helfen könne, zumal Jennie sich immer unglücklicher zu fühlen schien.
Eines Tages, als Jennie besonders lange fortgeblieben war, kam sie noch bedrückter nach Hause als je zuvor. Sie begrüßte ihn freundlich, verzog sich dann aber gleich in die hinterste Ecke der großen Bettstatt und blieb dort mit untergeschlagenen Pfoten ganz still liegen und starrte vor sich hin, wie, was Peter nun auch aus eigener Erfahrung wußte, eine Katze das tut, wenn sie unglücklich ist oder sich nicht wohl fühlt. Nur dann und wann drehte sie sich nach ihm um und schaute zu ihm hinüber, und Peter sah, daß ihre Augen in Tränen schwammen und ihr Gesicht die größte Verzweiflung widerspiegelte.
Schließlich konnte er es nicht länger aushalten. Er lief auf sie zu, leckte ihr zärtlich die salzigen Tränen vom Gesicht und sagte leise: «Liebste Jennie! Was quält dich denn so? Willst du es mir nicht sagen? Vielleicht kann ich dir doch etwas helfen? Es gibt nichts, was ich nicht tun würde, damit du wieder froh wirst...»
Doch Jennie schluchzte nur noch ärger, schmiegte sich ganz dicht an ihn und überließ sich seinen Liebkosungen, bis sie sich etwas beruhigt hatte. Nach einer Weile schien sie sich wieder in der Gewalt und auch einen Entschluß gefaßt zu haben, denn plötzlich stand sie auf, schüttelte sich und strich sich dann mit der Zunge über den Rücken, als brauche sie noch ein wenig Zeit, um sich zu überlegen, was sie eigentlich sagen wollte. Dann wandte sie sich endlich wieder zu Peter um, sah ihn besorgt an, wie jemand, der weiß, daß sich eine Entscheidung nicht länger hinausschieben läßt, und sagte ernst:
«Peter, hör mich an und sei bitte nicht gekränkt. Ja, es ist etwas geschehen, was mich sehr traurig macht, denn ich werde dich sehr bald verlassen müssen.»
«Mich verlassen? Aber warum denn, Jennie? Wie kannst du nur daran denken! Ich verstehe dich nicht. Wo willst du denn hingehen? Und warum kann ich nicht mitkommen? Ich will doch nur dort sein, wo du bist, und wo du auch
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