Meine Freundin Jennie
hingehst...»
Jennie zögerte etwas mit ihrer Antwort, als frage sie sich im stillen, ob es nicht doch noch eine Möglichkeit gebe, ihm das, was sie ihm nun mitteilen mußte, zu ersparen oder es wenigstens so zu sagen, daß es ihm nicht zu weh tun und er es besser verstehen würde. Dann seufzte sie und sagte: «Peter, ich kann es nicht ändern. Ich muß einfach. Dempsey hat um mich angehalten, und es bleibt mir nichts anderes übrig, als seinem Ruf zu folgen.»
Im ersten Augenblick wußte Peter gar nicht, von wem und wovon Jennie eben gesprochen hatte. Aber dann knurrte er laut und schlug mit dem Schwanz wütend um sich. Denn jetzt entsann er sich wieder des großen gelben Katers, mit dem er gleich zu Beginn seines seltsamen Abenteuers in dem Kornspeicher zusammengestoßen war, dieses mageren zähen Burschen mit der häßlichen tiefen Narbe im Gesicht, der so unverschämt und grob zu ihm geredet und ihn so brutal angegriffen hatte. Er glaubte wieder die verblüffend harten Schläge zu spüren, die auf ihn niedergeprasselt waren, und dann den schrecklichen Hieb, der ihn so heftig traf, daß er sich mehrmals überschlug; die scharfen Zähne, die ihm beinahe das Ohr abrissen, und die grausamen Krallen, die wie unzählige Messer in seine Brust und seinen Bauch eindrangen. Vor allem aber hörte er wieder die gellende Stimme, die ihm, während er sich, zerfetzt und zerschlagen, mit seinen letzten Kräften mühsam davonschleppte, höhnisch zurief:
Doch in seine Erbitterung über die Schmerzen und die Demütigung, die er damals erlitten hatte, mischte sich nun auch die Bestürzung über Jennies Worte, denn er glaubte sie nicht recht verstanden zu haben, und noch ganz verdutzt fragte er sie: «Du willst mich verlassen, um Dempsey zu folgen? Aber warum denn nur? Ich kann das einfach nicht begreifen. Ich will, daß du bei mir bleibst, Jennie...»
Jennie unterbrach ihn und sagte traurig: «Das ist bei uns Gesetz, Peter! Wenn ein Kater wie Dempsey um eine Katze freit, muß sie seine Werbung annehmen. Er weigert sich, noch länger zu warten, und deshalb muß ich zu ihm gehen.»
«Aber Jennie», protestierte Peter, «ich habe doch schon die ganze Zeit um dich geworben, und du gehörst doch mir...»
Merkwürdigerweise erwiderte Jennie nichts darauf, sondern starrte Peter nur kummervoll an. «Jennie, willst du denn zu ihm gehen?» fragte er sie.
«Aber Peter, wie kannst du nur so etwas fragen», sagte sie empört. «Ich hasse ihn! Ich habe ihn wohl schon hundertmal gebeten, mich gehen zu lassen, aber er will nicht. Er sagt, er wisse genau, was er wolle, und habe das Gesetz auf seiner Seite und er denke nicht daran, noch länger zu warten. Begreifst du denn nicht, Peter, daß ich mich da fügen muß...»
Peter hatte plötzlich das sonderbare Gefühl, daß Jennie ihm noch etwas verschwieg, daß sie ihm nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte, daß sie ihm aber nur deshalb etwas verheimlichte, weil sie ihn vor einer Gefahr beschützen wollte. Er kannte ja nun schon viele von den Gesetzen, die das Leben der Katzen regelten und die Jennie. ihm nach und nach erklärt hatte, und alle schienen gerecht und vernünftig zu sein und waren leicht zu verstehen, wenn man erst einmal den Grund kannte, warum sie gemacht worden waren — alle, bis auf dieses eine, und er war überzeugt, daß es damit noch eine besondere Bewandtnis hatte, von der Jennie ihm nur nichts sagen wollte.
«Ich will dich aber nicht hergeben», erklärte er. «Ich will dich nicht gehen lassen, Jennie, weil ich dich liebe. Was kann ich also nach dem Gesetz tun, damit du bei mir bleibst? Bitte, sage mir die Wahrheit, Jennie, oder ich gehe zu Dempsey und frage ihn...»
Wie Schuppen fiel es Jennie von den Augen, als ihr bewußt wurde, daß Peter sich verändert hatte, daß er viel reifer geworden war und er sie wirklich liebte, und deshalb konnte sie ihm auch die volle Wahrheit nicht länger vorenthalten, so gern sie es getan hätte; und obwohl sie die Angst in ihrer Stimme nicht ganz zu unterdrücken vermochte, 9agte sie tapfer: «Wenn du mich wirklich haben willst, Peter, kannst du unserem Gesetz nach mit Dempsey kämpfen, und wenn du ihn besiegst, brauche ich nicht zu ihm zu gehen, sondern kann dir folgen, wohin du immer willst», dabei fing sie wieder an, bitterlich zu weinen.
Peter sagte jedoch sofort: «Dann will ich mit Dempsey kämpfen, weil ich möchte, daß
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