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Meine Freundin Jennie

Meine Freundin Jennie

Titel: Meine Freundin Jennie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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scheint’s immer so. Ich lief zwischen ihnen herum, beobachtete ihre Gesichter und versuchte, herauszufinden, was eigentlich los war. Und eines Morgens verschwanden dann plötzlich sämtliche Koffer, Reisetaschen, Wäschesäcke und Hutschachteln aus der Bodenkammer, und ein Haufen Kisten und Stroh und Holzwolle wurden ins Haus gebracht und Männer in derber Arbeitskleidung mit groben Schürzen und Schirmmützen stapften herein, um die Kisten vollzupacken, und da wußte ich natürlich Bescheid: Die Pennys zogen um! Aber ob nun nur in ein anderes Stadtviertel oder aufs Land oder gar aus England fort, das herauszubekommen, war mir nicht möglich.
    Wer keine Katze ist, Peter, und das nicht durchgemacht hat, wird nie begreifen, was es heißt, tagaus, tagein dabeizusitzen, während alles, was dir vertraut ist und woran du hängst, Möbel, Teppiche und alles das, was auf dem Sims der Kamine und auf den Tischen steht oder liegt, in großen Transportkisten und Kabinenkoffern verschwindet, und nicht zu wissen...»
    «Was nicht zu wissen?» fragte Peter.
    «Ob du mitgenommen wirst oder nicht!»
    «Aber natürlich wirst du mitgenommen», platzte Peter heraus, der nur daran dachte, wie er unter denselben Umständen handeln würde, wenn er eine so reizende und gutmütige Katze besäße wie Jennie Baldrin. «Kein Mensch würde auf den Gedanken kommen, dich zurückzulassen, wenn er wegzieht, nicht mal...»
    Er stockte mitten im Satz, weil Jennie sich brüsk abgewandt hatte und sich mit einem geradezu wütenden Eifer zu putzen begann. In ihren Bewegungen drückte sich jedoch eine stille Verzweiflung aus, die Peter ans Herz griff und ihm deutlicher als Worte sagte, daß sie litt. «Ach, meine arme Jennie», rief er bekümmert, «es tut mir so schrecklich leid. Aber das kann doch nicht wahr sein, so grausam ist doch kein Mensch! Erzähl mir doch, was dann geschah!»
    Jennie hörte auf, sich zu putzen, und drehte sich wieder zu ihm um. jjrte Augen schimmerten feucht, und sie kam ihm plötzlich noch hagerer Und knochiger vor als je. «Verzeih mir bitte, Peter», sagte sie. «Ich glaube, es wäre vielleicht besser, wenn ich eine kleine Pause einlege. Es ist mir nicht leicht geworden, an jene schöne Zeit zurückzudenken und sie ¡n Gedanken noch einmal zu durchleben. Komm, machen wir erstmal einen kleinen Rundgang, um dich mit den Örtlichkeiten hier etwas vertraut zu machen, damit du die verschiedenen Schlupflöcher und auch meinen geheimen Eingang kennenlernst, und wenn wir dann zurückkommen, werde ich dir weitererzählen, wie es mir in jenem verhängnisvollen Monat Mai ergangen ist.»
    Peter war schrecklich enttäuscht über diese Unterbrechung, aber das wollte er Jennie nicht merken lassen; dieses tragische Kapitel ihres Lebens ging ihm sehr nahe, obwohl er sich’s einfach nicht vorstellen konnte, daß so gutmütige und freundliche Menschen, wie diese Pennys es doch offenbar waren, so mir nichts, dir nichts fortgehen und Jennie im Stich lassen konnten. Er hielt es nur für richtiger, ihr das nicht zu sagen, und als Jennie vom Bett hinuntersprang, folgte er ihr geschwind. Er fühlte sich jetzt viel kräftiger, und es machte ihm gar keine Mühe, mit Jennie Schritt zu halten, als sie sich am anderen Ende des Verschlages durch die Latten zwängte und dann links den Gang hinunterlief.
    Sie schlichen durch einen langen finsteren Korridor, an dessen beiden Seiten sich noch eine ganze Reihe solcher Verschläge befanden wie der, den sie gerade verlassen hatten. Sie bogen in verschiedene Nebenkorridore ein, liefen mehrere Treppen hinunter, dann wieder um eine Ecke und gelangten schließlich in einen Raum, in dem eine elektrische Birne brannte, die an einem Draht von der Decke herabhing. Es war ein riesiger Saal, dreimal so hoch wie die Mansarde, in der Jennie hauste, und bis obenhin vollgestopft, nicht nur mit allen möglichen Gegenständen, sondern höchst seltsamerweise auch mit Landschaften und Gebäuden.
    Da gab es einen hell erleuchteten Palast und direkt daneben eine unwirtliche Gegend aus den schottischen Hochlanden, mit gewaltigen übereinandergetürmten Felsblöcken und unheimlichen Bäumen, die ihre dunklen Äste drohend gen Himmel streckten. Auch ein Stück blaues Meer gab es da mit ein paar Bergen im Hintergrund, einen Garten mit Obstspalieren, ein Bauernhaus mit einem Strohdach, Zelte arabischer Nomaden im Wüstensand, einen düsteren Urwald, ganz verhangen von üppig wuchernden Schlingpflanzen, einen Bahnhof und die Ruine eines

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