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Meine Freundin Jennie

Meine Freundin Jennie

Titel: Meine Freundin Jennie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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von denen du wohl schon gehört haben wirst. Irgend jemand, der Julius Cäsar hieß, soll einige von uns 55 oder 54 vor Christi Geburt nach Britannien gebracht haben. Aber das war nicht unser Zweig der Familie. Da lebten wir noch in Ägypten, wo wir schon seit zweitausend Jahren ansässig gewesen sind und wo, wie du gewiß gelesen hast, die Katze ein heiliges Tier war. Eine Menge Leute bemühen sich ja, heilig zu sein oder so zu leben, aber wir waren es wirklich, mit Tempeln und Altären und Priestern, die für uns sorgten. Es ist dir wohl schon aufgefallen, wie klein mein Kopf ist. Das ist ein Merkmal der ägyptischen Rasse. Und das hier natürlich auch.»
    Bei diesen Worten rollte Jennie sich auf die Seite und hielt ihre Pfoten hoch, damit Peter sie von unten besehen konnte. «Nanu, die Ballen sind ja ganz schwarz», sagte Peter. Er betrachtete sogleich seine eigenen und erklärte: «Meine sind überall rosa.»
    «Natürlich», sagte Jennie, durchaus erfreut. «Wann immer du einer Katze begegnest, die schwarze Ballen hat, weißt du gleich, daß die aus Ägypten stammt. Hast du zufällig mal im Britischen Museum das Relief auf dem Grab von Amon-Ra gesehen, mit der Tempelkatze darauf? Es heißt, daß ich ihr ähnlich sehe.»
    «Im Britischen Museum bin ich mal mit Nanny gewesen», sagte Peter, «aber ich glaube nicht, daß ich je...»
    «Oh, das macht weiter nichts», fuhr Jennie fort. «Es ist nicht sehr wichtig, zumal heutzutage, wo es mehr darauf ankommt, was du bist, obschon ich sagen muß, daß es doch ein Trost ist, wenn man weiß, wo man herkommt, besonders in Zeiten, wo alles gegen dich zu sein scheint. Wenn du wenigstens eine Ahnung davon hast, wer deine Vorfahren gewesen sind und was sie geleistet haben, gibst du den Kampf doch nicht so leicht auf, speziell, wenn du weißt, daß sie tatsächlich heilig waren und die Leute an ihnen vorbeigezogen sind und sie um ihre Gunst angefleht haben. Trotzdem...» Und hier hielt Jennie Baldrin inne und leckte sich rasch viermal hintereinander den Schwanz.
    Peter befürchtete schon, daß sie nicht weitersprechen würde, deshalb sagte er bittend: «Ja, und als du dann größer wurdest...»
    «Oh», sagte Jennie, hörte auf, sich zu putzen, und fuhr in ihrer Erzählung fort: «Kurz nach meiner Geburt fuhren wir mit der Eisenbahn von Glasgow nach London, alle zusammen in einem Korb, meine Mutter, meine Brüder und Schwestern und ich. Wir reisten nachts. Aber ich hätte ohnehin nicht viel zu sehen bekommen, weil ich die ganze Zeit im Korb lag, und außerdem waren meine Augen noch nicht ganz auf, denn : ich war ja erst ein paar Tage alt. Das ist meine früheste Erinnerung.
    Wir waren fünf Geschwister, drei Kätzchen und zwei Kater, und wir lebten im Souterrain einer Familienpension in Bloomsbury. Meine Mutter gehörte nämlich einem Buchdrucker, der eine Zeitlang in Glasgow gearbeitet hatte und wieder nach London zurückkehrte. Dessen Mutter war die Inhaberin dieser Pension in Bloomsbury. Ich weiß nicht, ob ich mich verständlich genug ausdrücke...»
    «O ja, durchaus», versicherte Peter.
    «Unsere Mutter war klug und gut und zugleich zärtlich und streng. Sie fütterte, wusch und unterrichtete uns so gewissenhaft, wie sie es für nötig hielt. Sie war stolz auf unsere Familie und unsere Abstammung und sagte immer, daß, wo wir auch wären, unsere vornehme Abkunft jedem, der sich unserer annehme, Ehre machen werde. Dabei war sie felsenfest davon überzeugt, daß es nicht unter ihrer Würde sei, in einer Familienpension zu leben oder einem Buchdrucker zu gehören. Meinst du das auch?»
    Peter war etwas verdutzt über diese unerwartete Frage, erwiderte jedoch, daß er genau so denke, besonders, wenn die Leute nett wären.
    «Sehr richtig», sagte Jennie offensichtlich erleichtert. «Unsere Mutter sagte auch, daß einige von uns es vielleicht nicht weiterbringen würden als bis zur Katze eines Krämers, eines Kaminfegers oder einer Scheuerfrau, während andere womöglich zu reichen Leuten in eine Villa in May- , fair oder gar auf ein Schloß kommen könnten. Wichtig sei nur, sich darüber klar zu sein, daß alle diese Leute eben Menschen und wir selbst ganz andere Wesen sind, doch wenn man einander liebte und achtete, könne niemand sich etwas Besseres wünschen.
    Eines Tages, als ich gerade sieben Monate alt war, schlug auch für mich die Stunde der Trennung. Ein Ehepaar kam zu uns ins Haus und nahm mich mit sich fort. Ich wurde adoptiert.
    Wie gut hatte ich’s doch

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