Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine Freundin Jennie

Meine Freundin Jennie

Titel: Meine Freundin Jennie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
Vom Netzwerk:
griechischen Tempels...
    «Oh, ich weiß, was das ist!» rief Peter. «Das sind Theaterkulissen, die hab ich schon im Weihnachtsmärchen gesehen. Das ist hier wohl das Magazin, wo sie die aufbewahren.»
    «Also Kulissen sind das», sagte Jennie Baldrin. «Das wußte ich nicht, aber ich dachte, es würde dich interessieren. Ich komme öfters hierher wenn ich ein Bedürfnis nach Abwechslung habe. Gehen wir doch mal da rüber und setzen wir uns da im Hochland auf den Felsen, weil diese Gegend mich so an meine Heimat erinnert, so, wie meine Mutter sie mit beschrieben hat.»
    Natürlich konnten sie sich gar nicht auf den Felsen setzen, weil er ja nur, wenn auch täuschend echt, auf ein Stück Leinwand gemalt war, doch als sie sich dicht davor niederhockten, hatte Peter beinah das Gefühl, als wären sie jetzt wirklich in jener romantischen Gegend von Schottland von der Nanny ihm auch soviel erzählt hatte.
    Kaum hatten sie sich’s richtig bequem gemacht, sagte Peter: «Liebste Jennie, meinst du nicht, du könntest mir jetzt deine Geschichte zu Ende erzählen?»
    Jennie schloß für einen Moment die Augen, als könne sie sich so besser in die Erinnerungen versenken, die so schmerzlich für sie waren, Dann schlug sie die Augen wieder auf, seufzte leicht und fuhr in ihrem Bericht fort:
    «Es war ein sehr geräumiges Haus, weißt du», sagte sie, «und es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis alles eingepackt und zugeschnürt und zugenagelt und fertig zum Abtransport war.
    So sehr ich mich auch grämte, lief ich doch überall zwischen den Kisten herum, beschnupperte und befühlte alles — denn du weißt doch, daß wir uns mitunter nur durch das Tastgefühl am Ende unserer Schnurrhaare über dies und das orientieren können.» Peter wußte das zwar nicht, mochte Jennie aber auch nicht unterbrechen, so sagte er nichts, und Jennie sprach weiter: «Aber diesmal war’s vergeblich. Es gelang mir nicht, auch nur die geringste Spur zu finden, die mich darauf gebracht hätte, wohin die Sachen kommen sollten, oder auch nur, wann sie abgeholt werden würden, obgleich ich wußte, daß es bald sein mußte, weil die Familie bereits seit mehreren Tagen nicht mehr im Haus geschlafen hatte, denn die Betten waren schon auseinandergenommen und Kissen und Decken eingepackt worden. Mrs. Penny und Buff kamen tagsüber zurück, um weiterzupacken, und natürlich fütterten sie mich dann auch.
    Abends trugen sie mich immer in meinem Korb ins Nähzimmer im Dachgeschoß und stellten mir für die Nacht noch ein Schälchen mit Milch und eins mit Wasser hin. Im Nähzimmer standen gar keine Möbel mehr, und von meinem Spielzeug hatten sie mir auch nichts mehr dagelassen. Das wäre weiter nicht schlimm gewesen, wenn mir diese Ungewißheit nicht so zugesetzt hätte. Natürlich nahm ich an, daß die Pennys, bis das neue Haus, wo immer es nun stehen mochte, fertig war, in einem Hotel übernachteten, wo sie mich vermutlich nicht bei sich haben konnten. Aber wie hätte ich andererseits sicher sein können, daß sie nicht vielleicht doch weit fortzogen, womöglich übers Meer, in irgendein anderes Land, wohin sie mich gar nicht mitnehmen durften?»
    So ein Umzug mit Sack und Pack war für Peter nichts Neues. Beim Militär mußten die Leute andauernd ihre Siebensachen packen, weil sie plötzlich nach Indien oder Australien oder Afrika versetzt wurden. Auch glaubte er, es Jennie nachfühlen zu können, welche Angst sie damals ausgestanden haben mußte. Denn er erinnerte sich noch gut, welch ent-5etzliche Angst ihn selber gepackt hatte, wenn ihm nachts plötzlich der Gedanke gekommen war: Und dann hatte er verstört und hellwach ins Dunkel gestarrt, die Ohren und alle Sinne angespannt und darauf gewartet, das Geräusch vom Hausschlüssel im Türschloß und die Schritte seiner Mutter zu hören, wenn sie an seinem Zimmer vorbeiging, und dann erst — und oft war es später als Mitternacht — fiel er in einen unruhigen und verquälten Schlaf.
    Jennies Stimme scheuchte ihn aus diesen Erinnerungen auf. «Eines Morgens», sagte sie traurig, «blieben sie aus und kamen überhaupt nicht mehr zurück. Keinen von ihnen habe ich je wiedergesehen, weder meine geliebte Buff, noch Mrs. und Mr. Penny. Sie sind fortgereist und haben mich kaltblütig verlassen.»
    «Ach, du Ärmste!» rief Peter voller Mitgefühl aus. Doch dann fügte er

Weitere Kostenlose Bücher