Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine Freundin Jennie

Meine Freundin Jennie

Titel: Meine Freundin Jennie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
Vom Netzwerk:
hatte er es plötzlich heraus. Eben noch war er, als er sich bemühte, diese senkrechten Wände zu erklimmen, wieder einmal abgerutscht und heruntergefallen, doch im nächsten Augenblick hatte er es geschafft: ein blitzartiger Vorstoß mit den Hinterbeinen, die sich diesmal irgendwie an der Kistenwand festzuhalten vermochten und ihm von neuem Schwung verliehen — und seitdem konnte er es ein für allemal.
    Jennie war höchst zufrieden mit ihm, denn dieser spezielle Trick, eine kahle Wand hinaufzuspringen, ohne daß irgendein Riß oder sonst eine Unebenheit den Pfoten einen Halt bot, sei nun einmal, sagte sie, eine besondere Fähigkeit, die nur den Katzen eigen sei, und überdies eine, die sich nicht genau erklären und vordemonstrieren oder lehren lasse. Jennie konnte ihm daher keinen besseren Rat geben als diesen: «Du denkst einfach, du bist schon halb oben, Peter, und du mußt dir immer wieder Vorhalten, daß es dir möglich ist, dann kannst du es auch!»
    Nun, die Gräfin hatte plötzlich in einem Wellental etwas zu schlingern begonnen, und das half Peter ein wenig und stimmte ihn zuversichtlich. Und das nächste Mal war er überzeugt, daß er es schaffen würde, und da gelang es ihm auch.
    Mit unendlicher Geduld brachte Jennie ihm bei, wie er auch in der Luft seinen Körper in der Gewalt behalten konnte, denn sie behauptete, für eine Katze gebe es eigentlich nichts, was wichtiger wäre. Mit ihr zusammen studierte Peter auch die Drehung mitten in der Luft aus dem Sprung heraus, so daß er, wenn er sich erstmal vom Boden abgestoßen hatte, beinahe so, als fliege er, die Richtung ändern konnte; und Peter liebte dieses Gefühl der Macht und der Ungebundenheit, das ihn jedesmal überkam, wenn er sich wie ein Akrobat in der Luft um sich selber drehte, deshalb übte er dieses Kunststück auch noch öfter als alle anderen. Audi mußte er lernen, sich im Fallen so rasch umzudrehen, daß er, wenn er von einem Schrank oder aus einem Fenster herunterfiel, stets auf seinen Füßen landete, und bald brachte er es darin zu einer so großen Geschicklichkeit, daß er selbst dann, wenn er von einer nur einen Meter hohen Kiste aus in die Luft sprang, wie der Blitz herumzuschnellen vermochte und infolgedessen tatsächlich auf seine vier Pfoten fiel, und dazu noch völlig geräuschlos.
    Ihre Freizeit war jedoch nicht ausschließlich diesem harten Training gewidmet. Es gab auch stille Stunden, in denen sie sich Seite an Seite oben auf einem der abschüssigen Lukendeckel ausstreckten und Peter Jennie alle möglichen Fragen stellte, zum Beispiel, warum sie mit Vorliebe immer auf den höchsten Gegenständen lag und sich die Welt also von oben besah. Daraufhin sprach ihm Jennie von den tiefeingewurzelten Instinkten, die noch aus jener Zeit, vor Millionen und aber Millionen Jahren, herrührten, in der alle Katzen noch gleich groß gewesen waren und überhaupt gleich ausgesehen hatten und, wenn sie am Leben bleiben wollten, hatten lernen müssen, sich zu schützen. Und um den Gefahren zu entgehen, die ihnen von all dem Getier drohte, das damals überall auf dem Erdboden oder dicht darüber herumkroch und einherstampfte, lebten diese ersten Katzen hoch oben in irgendwelchen Felsenhöhlen oder auf Baumästen, von wo aus sie alles sehen konnten, was sich ihnen näherte.
    Aus demselben Grunde, erklärte Jennie, schliefen Katzen auch so gern in Kisten, Pappkartons oder Schubladen, weil sie dort ringsum von schützenden Wänden umgeben waren wie einstmals in ihren Höhlen und sich deshalb sicher genug fühlten, um sich ganz entspannt dem Schlaf hinzugeben.
    Einmal fragte Peter auch: «Jennie, warum streckst du eigentlich, wenn du zufrieden bist und dich ausgesprochen wohl fühlst, immerfort deine Krallen aus, nur um sie gleich wieder einzuziehen? Das ist so drollig anzusehen, weil du ja dann nach gar nichts greifst. Und ich entsinne mich noch, zu Hause, ich meine, als wir noch in dem Lagerhaus wohnten, da bist du mal mit deinen Pfoten hin und her über die Steppdecke gestrichen, gerade so, als ob du das Bett machen wolltest Ich tu das nie, obwohl ich doch auch schnurre, wenn ich glücklich bin...»
    Jennie, die sich auf der Plane über dem Lukendeckel zusammengerollt hatte, hob den Kopf und warf Peter einen überaus zärtlichen Blick zu, bevor sie antwortete: «Ich weiß, Peter, und das ist wieder etwas, was mir sagt, daß du trotz deines Aussehens eigentlich ein Mensch bist und vielleicht immer bleiben wirst. Aber vielleicht kann ich’s dir

Weitere Kostenlose Bücher