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Meine Freundin Jennie

Meine Freundin Jennie

Titel: Meine Freundin Jennie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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hatte, durfte man sich keineswegs entmutigen lassen, wenn der Deckel sich nicht gleich beim ersten Versuch bewegte, sondern mußte diesen Trick rund herum an verschiedenen Stellen ausprobieren, bis sich früher oder später eine schwache Stelle fand, wo der Deckel etwas leichter auflag und schon beim ersten Anstoß nachgab. Hatte man das erreicht, war es nur noch eine Frage der Ausdauer und der Energie, bis man den Deckel ganz hochheben und beiseiteschieben konnte.
    Peter brachte es darin rasch zu großer Kunstfertigkeit, denn er hatte schon als Junge einen kräftigen Körper gehabt und war auch jetzt als Kater sehr stabil gebaut, mit langen, schlanken Flanken und starken breiten Schultern. Es dauerte auch nicht lange, da vermochte er einen Schicksalsgenossen auf den ersten Blick an dem winzigen kahlen Streifen über der Nasenwurzel zu erkennen, wo das Fell vom ständigen Scheuern am Rand der eisernen Müllkastendeckel ganz abgewetzt war.
    War der Deckel einmal abgehoben, genügten wenige Atemzüge, um zu erschnuppern, was ein Müllkasten enthielt und in welchem Zustand sich der Inhalt befand, und dann langten sie mit ihren Pfoten hinein; lag jedoch etwas Eßbares, das ihren Hunger zu stillen versprach, zu tief unter anderen Abfällen vergraben, wandten sie eine Methode an, die Jennie sich ausgedacht hatte und deren sich zwei Katzen, die wie sie und Peter gemeinsame Sache machten, ohne weiteres bedienen konnten. Dieser Kniff bestand nur darin, daß sie beide hochsprangen und sich an derselben Seite des Müllkastens so dicht zusammen wie nur irgend möglich festklammerten, und meistens genügte dann ihr vereintes Gewicht, um den Müllkasten umzukippen, der daraufhin unter schrecklichem Gepolter seinen Inhalt auf den Boden entleerte.
    Ebenso lernten sie es, die Läden der Schlachter, Fischhändler und Grünkramhändler abzugrasen wie auch die Hinterausgänge der Restaurants und Hotels, um, wenn die großen Lieferwagen der Engros-Firmen dort vorfuhren und die bestellten Lebensmittel abluden, ein paar Brocken zu erhaschen, die vielleicht auf dem kurzen Weg vom Lastauto zum Haus herunterfielen, und sich damit zu einer Mahlzeit davonzumachen, die sie stets redlich miteinander teilten. Denn sie fraßen nicht nur Fleisch- und Fischreste, sofern sie welche erwischten, sondern verspeisten auch jedwedes Obst und Gemüse, wie auch Brot, Keks und sogar stockige Haferflocken — kurz alles, was gekaut, verschluckt und verdaut werden konnte.
    Und dabei sollte Peter wiederum die Entdeckung machen, daß es e i n e Sache war, heikel im Essen zu sein (zum Beispiel zu mäkeln, weil Nanny vom Lammkotelett nicht das ganze Fett abgeschnitten hatte, oder sich zu weigern, den Spinat zu essen, weil noch etwas Sand darin war, oder wegen der dünnen Bananenscheibchen über dem dick mit Zucker bestreu, ten Haferbrei mit Milch zu quengeln), aber etwas ganz anderes, nie genug im Magen zu haben und nicht zu wissen, wann und woher man das nächste Mal etwas zu essen bekam. Natürlich hatte er als Kater nicht denselben Gaumen wie früher als Mensch, aber trotzdem widerstand ihm vieles. Doch würde, wie Jennie ihm klarmachte, jede verwöhnte Hauskatze, die sich plötzlich in einer Stadt auf sich selbst angewiesen sah, bald Hungers sterben, wenn sie nicht lernte, sich von allem und jedem zu ernähren.
    So fraßen sie also alte Karotten und Zwiebeln, Apfel- und Melonenschalen, rohen Blumenkohl und alte Brotkanten, gekochte Rüben und Kohlstrünke, sonderbare Überreste von Cocktailparties, Kuchenkrümel vom Nachmittagstee, Stückchen von Schellfischhaut, Köpfe und Schwänze von Bücklingen, Rindfleischknorpel und Hammelknochen, die vom langen Kochen ganz weiß geworden waren; und sie leckten Cornedbeef-Dosen aus, in denen sie immer noch etwas sitzengebliebenes Fett vorfanden. Auch liefen sie zu den Kais hinunter, wo die ausländischen Schiffe aus Schweden, Norwegen und Finnland und aus Spanien und Portugal ihre interessanteren und schmackhafteren Abfälle über Bord warfen, und kämpften dort mit den aufgebracht kreischenden Möwen um die Happen und Brocken, die an den Steinstufen der Mole vorbeischwammen und die sie mit ihren Pfoten aus dem Wasser herausangeh konnten.
    Doch wie schon in London war es ein hartes, rauhes und gefährliches, wenn auch abenteuerliches Leben, das nur ganz selten durch irgendeine geringfügige Annehmlichkeit ein wenig gemildert wurde. Und im Vergleich zu ihren Streifzügen längs des Clyde, im Broomielaw-, am Anderson- und

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