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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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herrje! Guck dich um, Tante.« – Die alte Dame fuhr herum und raffte mit einem Griff ihre Röcke hoch, um sie aus der Gefahrenzone zu bringen; im gleichen Augenblick entfloh der Junge, erkletterte den hohen Bretterzaun und verschwand darüber.
     
    Susy und Clara hatten ganz recht.
    Dann schreibt Susy:
     
    Und wir wussten, dass Papa dauernd die Schule schwenzte. Und wie bereitwillig Papa vortäuschte, im Sterben zu liegen, um nicht zur Schule gehen zu müssen!
     
    Diese Enthüllungen und Entlarvungen sind Spekulation, aber zutreffend. Wenn ich für andere Leute so durchsichtig bin, wie ich es für Susy war, habe ich in diesem Leben viel Mühe vergeudet.
     
    Grandma konnte Papa nicht dazu bewegen, zur Schule zu gehen, und so schickte sie ihn in eine Druckerei, damit er das Handwerk erlernte. Das tat er auch und schnappte nach und nach genügend Bildung auf, um etwa genauso gut voranzukommen wie diejenigen, die in ihrem frühen Leben fleißiger waren.
     
    Es ist auffallend, dass Susy, wenn sie mir Komplimente macht, nicht übertreibt, sondern richterliche und biographische Ruhe bewahrt. Und es ist auffallend und muss ihr als Biographin hoch angerechnet werden, dass sie Komplimente und Kritik gerecht und ausgewogen austeilt.
    Meine Mutter hatte eine Menge Kummer mit mir, aber ich vermute, dass sie Vergnügen daran fand. Mit meinem Bruder Henry, der zwei Jahre jünger war als ich, hatte sie überhaupt keinen Kummer, und ich vermute, die ungebrochene Monotonie seiner Tugendhaftigkeit, Ehrlichkeit und Gehorsamkeit wäre eine Bürde für sie gewesen, wenn ich ihr nicht etwas Erleichterung und Abwechslung in der entgegengesetzten Richtung verschafft hätte. Ich war ein Tonikum. Ich war wertvoll für sie. Früher ist mir das nicht in den Sinn gekommen, aber inzwischen sehe ich es so. Ich habe nie erlebt, dass Henry mir oder sonst wem etwas Böses getan hätte – häufig aber tat er etwas Gutes, das mich genauso teuer zu stehen kam. Es war seine Pflicht, mich zu melden, wenn ich gemeldet werden musste und es versäumte, selbst Meldung zu erstatten, und diese Pflicht erfüllte er gewissenhaft. Er ist »Sid« in
Tom Sawyer
. Aber Sid war nicht Henry. Henry war ein sehr viel feinerer und besserer Junge als Sid.
    Es war Henry, der meine Mutter darauf aufmerksam machte, dass der Zwirn, mit dem sie meinen Hemdkragen angenäht hatte, um mich daran zu hindern, schwimmen zu gehen, die Farbe gewechselt hatte. Meine Mutterhätte es sonst nicht entdeckt, und als sie merkte, dass dieses auffällige Beweisstück ihrem scharfen Auge entgangen war, war sie sichtlich verärgert. Vermutlich fügte dieses Detail auch meiner Strafe ein Detail hinzu. Das ist menschlich. Gewöhnlich lassen wir, wenn sich ein geeigneter Vorwand findet, unsere Schwächen an einem anderen aus – aber wie dem auch sei, ich ließ meinen Unmut an Henry aus. Für den, dem unrecht getan wird, gibt es immer eine Entschädigung. Ich ließ oft meinen Unmut an ihm aus – manchmal als Abschlagszahlung für etwas, was ich noch nicht getan hatte. Das passierte, wenn die Gelegenheit eine zu starke Versuchung darstellte und ich einen Wechsel auf die Zukunft ausstellen musste. Diese Idee brauchte ich nicht bei meiner Mutter abzugucken, wahrscheinlich hatte ich sie mir selbst ausgedacht. Trotzdem ging auch sie gelegentlich nach diesem Prinzip vor.
    Sollte der Vorfall mit der zerbrochenen Zuckerdose in
Tom Sawyer
vorkommen – ich kann mich nicht mehr erinnern, ob es so ist oder nicht –, so ist er dafür ein Beispiel. Henry stibitzte nie Zucker. Er nahm ihn vor aller Augen aus der Dose. Seine Mutter wusste, dass er keinen Zucker naschte, wenn sie nicht hinsah, aber bei mir hatte sie ihre Zweifel. Im Grunde genommen nicht einmal Zweifel. Sie
wusste
sehr wohl, dass ich naschen würde. Eines Tages, als sie nicht da war, naschte Henry aus ihrer hochgeschätzten und kostbaren altenglischen Zuckerdose, einem Familienerbstück – und brachte es fertig, die Dose zu zerbrechen. Es war das erste Mal, dass ich die Chance hatte, ihn zu verpetzen, und ich freute mich unbeschreiblich. Ich sagte ihm, dass ich ihn verpetzen würde, aber er war nicht beunruhigt. Als meine Mutter hereinkam und die Dose in Scherben auf dem Fußboden liegen sah, war sie einen Moment sprachlos. Ich ließ ihr Schweigen walten, dachte ich doch, es würde die Wirkung verstärken. Ich wartete darauf, dass sie fragte: »Wer war das?« – damit ich meine Neuigkeit loswerden konnte. Aber das war eine

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