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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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begraben war.
    Der
Major hob die Stimme um ein, zwei Töne.
    »Corporal Henry
Jones
, Kompanie C, vierzehnte
Connecticut-Infanterie! Weiß jemand, wo der Mann begraben ist?«
    Keine Antwort. Er kreischte noch ein-, zwei-, dreimal, und seine
Gereiztheit nahm immer mehr zu:
    »Corporal Henry JONES! Kompanie C!, vierzehnte Connecticut-Infanterie! – Weiß NIEMAND, wo der Mann
begraben ist?«
    Keine Antwort. Da
schleuderte er das Blumenkörbchen zu Boden und sagte zu Twichell:
    »Bringen Sie die Sache zu Ende.«
    Die barhäuptige Menge drängte sich um Twichell, und ihr feierliches
Schweigen wurde nur von unterdrücktem Niesen unterbrochen, hervorgerufen durch eine trübe
Staubwolke, die sie einhüllte. Nach einer Pause setzte Twichell zu einem eindrucksvollen Gebet an,
bei dem er sich kurzfasste, um den Erfordernissen des Anlasses gerecht zu werden. Mittendrin
verstummte er. Der Trommler glaubte, er sei fertig, und ließ ein Rum-ba-dum-dum ertönen – und der
kleine Major donnerte: »Hören Sie mit dem Getrommel auf!« Twichell setzte erneut an. Fast hatte er
das letzte Wort herausgebracht, als jemand einen Hund trat und der Hund ein Schmerzgeheul ausstieß,
das bis hinter die Grenze zu hören war. Der Major sagte:
    »Zum Teufel mit diesem Hund!« – und Twichell sagte:
    »Amen.«
    Eigentlich wollte er damit seine innigen Worte beenden, doch das
Amen fiel genau im richtigen Moment, so dass es auch die des Majors abzuschließen schien, der sich
sehr geehrt fühlte und dankte.
    Freitag, 16. März 1906
    Schulkameraden von vor sechzig Jahren – Mary Miller, ein erster Schwarm
von Mr. Clemens – Artimisia Briggs, ein weiterer – Mary Lacy, ein weiterer –
Jimmy McDaniel, dem Mr. Clemens seine erste lustige Geschichte
erzählte – Mr. Richmond, Sonntagsschullehrer, später Besitzer von
Tom Sawyers Höhle, die inzwischen zu Zement verarbeitet wird –
Hickman, der prächtige junge Captain – Reuel Gridley und der Vorfall
mit dem Sack Mehl – Die Judenjungen Levin, genannt Zweiundzwanzig –
George Butler, Neffe von Ben Butler – Der Vorfall, als ich mich
zu Will Bowen ins Bett legte, um mich mit Masern anzustecken,
und die gelungene und fast tödliche Masernerkrankung, die folgte
     
    Wir wollen zu den Schulkindern von vor sechzig Jahren
zurückkehren. Ich erinnere mich an Mary Miller. Sie war zwar nicht mein erster Schwarm, aber ich
glaube, die Erste, die mir ein gebrochenes Herz bescherte. Als ich mich in sie verliebte, war sie
achtzehn und ich neun, aber sie verschmähte mich, und ich begriff, dass dies eine kalte Welt ist.
Diese Temperatur war mir zuvor nicht aufgefallen. Elender hätte sich auch ein erwachsener Mann nicht
fühlen können. Doch der Schmerz hielt, glaube ich, nicht lange an. Soweit ich mich entsinne,
übertrug ich meine Verehrung schon recht bald auf Artimisia Briggs, die ein Jahr älter war als Mary
Miller. Als ich ihr meine Leidenschaft gestand, spottete sie nicht darüber. Sie machte sich nicht
lustig. Sie war sehr freundlich und liebevoll. Bestimmt war sie allerdings auch, und sie sagte, sie
wolle nicht von Kindern belästigt werden.
    Und dann war da Mary Lacy, eine Schulkameradin. Auch sie war wegen
ihres fortgeschrittenen Alters eine Klasse zu hoch für mich. Sie war ziemlich stürmisch,
entschlossen und unabhängig und galt als unbändig und unverbesserlich. Aber das war ein Irrtum. Sie
heiratete, wurde umgehend sesshaft und gab in jeder Hinsicht ein vorbildliches Hausmütterchen ab,
das ebenso geachtet war wie jedes andere Hausmütterchen in der Stadt. Vor vier Jahren lebte sie noch
und war seit fünfzig Jahren verheiratet.
    Ein anderer Schulkamerad war Jimmy McDaniel. Wir hatten ungefähr
das gleiche Alter. Sein Vater führte den Süßwarenladen, und so war er – nachTom Blankenship (»Huck Finn«) – das meistbeneidete Bürschchen der Stadt, denn obwohl wir ihn
nie Süßigkeiten essen sahen, nahmen wir an, sie seien sein Grundnahrungsmittel. Er tat so, als ob er
nie etwas Süßes essen und sich, da es ihm nicht verboten war, auch nichts daraus machen würde – es
wäre genug da und er könnte so viel haben, wie er wollte. Doch deuteten einige Indizien darauf hin,
dass er nach außen hin Süßigkeiten nur deswegen verachtete, um zu prahlen, denn er hatte die
schlechtesten Zähne der Stadt. Soweit ich mich erinnere, war er der erste Mensch, dem ich jemals
eine lustige Geschichte erzählte. Sie handelte von Jim Wolf und seinen Katzen; und ich erzählte ihm
die Geschichte am Morgen nach

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