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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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alle. Mein Sehvermögen funktionierte
einwandfrei. Alle weinten, aber das beeindruckte mich nicht. Ich nahm höchstens schwach Anteil, und
auch das nur, weil ich im Mittelpunkt all der emotionalen Aufmerksamkeit stand und mich zufrieden
und geschmeichelt fühlte.
    Als Dr.
Cunningham entschieden hatte, dass er nichts mehr für mich tun konnte, verteilte er auf meinem
ganzen Körper Beutel mit heißer Asche. Er legte sie auf meine Brust, meine Handgelenke, meine
Knöchel; und so holte er mich zu seiner großen Überraschung – und zweifellos zu meinem Bedauern – in
die Welt zurück und brachte mich wieder auf die Beine.
    Dienstag, 20. März 1906
    Über die Sonntagsschulreden des jungen John D. Rockefeller – Mr.
Clemens
als Ehrenmitglied wird gebeten, vor der Bibelklasse zu reden –
Seine Absage – Er nimmt eine Einladung von General Fred Grant an,
am 10. April zugunsten der Robert Fulton Memorial Association in
der Carnegie Hall zu reden – Seine Zusage
    Eine der
ständigen Freuden der amerikanischen Nation dieser Tage sind die theologischen
Bibelklassen-Abenteuer von John D. Rockefeller jr. Jeden Sonntag erläutert der junge Rockefeller
seiner Gruppe die Bibel. Anderntags verbreiten die Zeitungen und Associated Press seine
Erläuterungen über den gesamten Kontinent, und alles lacht. Die ganze Nation lacht, doch in ihrem
unschuldigen Stumpfsinn ahnt sie nicht, dass sie über sich selbst lacht. Aber genau das tut
sie.
    Der junge Rockefeller,
vielleicht fünfunddreißig Jahre alt, ist eine schlichte, einfältige, ernsthafte, aufrichtige,
ehrliche, wohlmeinende, gewöhnliche Person, ohne auch nur einen Hauch von Originalität. Und wenn er
sich statt auf das Geld seines Vaters auf seine geistigen Fähigkeiten verlassen müsste, würden seine
Bibelerklärungen augenblicklich verstummen und von der Öffentlichkeit nicht länger beachtet werden.
Indes gilt sein Vater als der reichste Mann der Welt, und das macht die theologischen Verrenkungen
seines Sohnesinteressant und bedeutend. Die Welt hält den alten Rockefeller
für milliardenschwer. Steuern zahlt er nur für zweieinhalb Millionen. Er ist ein ernsthafter
ungebildeter Christ und seit vielen, vielen Jahren Admiral einer Sonntagsschule in Cleveland, Ohio.
Seit vielen, vielen Jahren hält er in dieser Sonntagsschule Vorträge über sich selbst und erklärt,
wie er zu Geld gekommen ist; und in all den Jahren hat seine Sonntagsschule verzückt gelauscht und
ihre Anbetung zwischen ihm und seinem Schöpfer aufgeteilt – zu ungleichen Teilen. Seine
Sonntagsschulreden werden durchs ganze Land gedrahtet und von der Nation mit ebenso viel
Begeisterung gelesen wie die seines Sohnes.
    Wie bereits gesagt, die Nation lacht über die Schriftauslegungen
des jungen Rockefeller. Doch die Nation muss wissen, dass diese Auslegungen genau dem entsprechen,
was sie allsonntäglich von den Kanzeln hört und was ihre Vorfahren sich jahrhundertelang ohne die
geringste Erneuerung einer Idee angehört haben – falls in diesen Vorträgen überhaupt jemals eine
Idee enthalten war. Die Methoden des jungen John sind die gewöhnlichen Kanzelmethoden. Seine
Herleitung goldener Phantasien aus schmutzigen Fakten entspricht genau dem, womit die Kanzel seit
Jahrhunderten hausieren geht. Jedes seiner Argumente ist von den Theologen aller Zeitalter bereits
derart abgenutzt worden, dass es nur mehr in fadenscheinigen Lumpen auf ihn kommt. Alle seine
Beweisführungen sind wie alle Beweisführungen aller Kanzeln schale Anleihen bei den geistlosen
Kanzeln früherer Jahrhunderte. Nie hat sich der junge John selbst mit einer Doktrin
auseinandergesetzt; nie hat er eine Doktrin auf ihre tatsächlichen Vorzüge hin geprüft; nie eine
Doktrin zu einem anderen Zweck untersucht, als um darin die Auffassungen zu finden, die er von
seinen Lehrern aus zweiter Hand empfangen hat. Seine Reden sind nicht mehr und nicht weniger
originell und wertvoll als die aus dem Munde jedes beliebigen Theologen, vom Papst in Rom bis zu ihm
selbst. Die Nation lacht über die gründlichen und unbeholfenen Untersuchungen, die der junge John zu
Josephs Charakter und Verhalten anstellt, dabei hört sich die Nation seit Menschengedenken an, wie
Josephs Charakter und sein Verhalten auf dieselbe unbeholfene und törichte Weise auf den Kanzeln
untersucht werden, und die Nation sollte bedenken, dass sie, wennsie über den
jungen John lacht, über sich selbst lacht. Sie sollte bedenken, dass der junge John bei Joseph nicht
etwa neue Tünche

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