Meine geheime Autobiographie - Textedition
Virginia City,
um alleiniger Reporter des
Territorial Enterprise
zu werden – Mr. Clemens
erprobt seine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Erwerbslose mit großem Erfolg
an einem jungen Reporter in St. Louis – Wendet das Schema auch bei seinem
Neffen Mr. Samuel E. Moffett an
Ich habe Higbie gestattet, der Rechtschreibung des Mannes vom
Herald
nachzuhelfen und sie auf seine eigene abzustimmen. Er hat seine Sache gut, großzügig und vorurteilsfrei erledigt. Meiner Ansicht nach hat es ihr wohlgetan, denn seit mindestens sechzig Jahren hege ich eine Aversion gegen gute Rechtschreibung, aus dem einfachen Grund, weil ich als Junge nichts so gut beherrschte wie die Rechtschreibung nach Schema F. Es war ein armseliges kleinliches Unterscheidungsmerkmal, und ich lernte früh, kein Vergnügen daran zu finden. Vermutlich hat es damit zu tun, dass die Rechtschreibfertigkeit eine angeborene Gabe ist und keine erworbene Fähigkeit. In einer erworbenen Fähigkeit liegt so etwas wie Ehre, da sie das Ergebnis eigener Arbeit ist. Dieser Lohn ist verdient, während eine nur durch die Gnade Gottes verliehene und nicht durch eigene Anstrengung erworbene Fähigkeit die Auszeichnung ins Himmelreich verweist – wo sie möglicherweise eine Sache des Stolzes und der Genugtuung ist, einen selbst jedoch nackt und mit leeren Händen zurücklässt.
Higbie war der Erste, der von meiner großartigen und unfehlbaren Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Erwerbslose profitierte. Während der letzten vierundvierzig Jahre habe ich diese Maßnahme immer wieder erprobt. Soweit ich weiß, war sie stets erfolgreich, und es ist mein ganzer Stolz, sie erfunden zu haben und dass sich die von mir angenommene Tatsache der menschlichen Natur, die ich ihr zugrunde gelegt hatte, als richtig erwies.
Higbie und ich lebten in einem Baumwollschuppen am Fuße eines Berges. Es war eine sehr beengte Behausung, die kaum Platz für uns und den Herd bot – eine wirklich erbärmliche Behausung, denn zwischen acht Uhr morgens und acht Uhr abends machte das Thermometer gelegentlich einenSprung um über fünfzehn Grad. Zusammen mit Bob Howland und Horatio Phillips hatten wir unter einem eine halbe Meile entfernten Hügelvorsprung einen Silberclaim, und jeden Morgen gingen wir mit unserem Mittagessen dorthin und verbrachten den ganzen Tag damit, in unserem Schacht zu hacken und zu sprengen – voller Hoffnung, dann voller Verzweiflung, dann wieder voller Hoffnung, und langsam, aber sicher gingen uns die Geldmittel aus. Als wir schließlich vollkommen abgebrannt und noch immer auf nichts gestoßen waren, sahen wir ein, dass wir uns unseren Lebensunterhalt auf andere Weise verdienen mussten. Ich sicherte mir eine Stelle in einer nahe gelegenen Quarzmühle, wo ich mit Hilfe einer langstieligen Schaufel Sand siebte. Ich hasse langstielige Schaufeln. Ich habe nie gelernt, sie richtig zu handhaben. Meist erreichte der Sand das Sieb gar nicht erst, sondern rieselte auf meinen Kopf und über meinen Rücken oder in meine Kleider. Es war die abscheulichste Arbeit, die ich je verrichtet habe, aber man bekam zehn Dollar die Woche und Verpflegung – und die Verpflegung war der Mühe wert, denn sie bestand nicht nur aus Speck, Bohnen, Kaffee, Brot und Zuckersirup, sondern wir bekamen jeden Wochentag auch noch Kompott aus gedörrten Äpfeln, als wäre es ein Sonntag. Doch dieses königliche Leben, dieses abstoßend luxuriöse Leben musste ein Ende nehmen, und dafür gab es zwei gute Gründe. Ich für mein Teil konnte die schwere Arbeit nicht ertragen; das Unternehmen wiederum sah nicht ein, weshalb es mich dafür bezahlen sollte, dass ich mir Sand über den Rücken schaufelte; also wurde ich in dem Augenblick entlassen, als ich gerade kündigen wollte.
Hätte Higbie die Arbeit übernommen, wäre alles gut ausgegangen, und alle wären zufrieden gewesen, denn mit seiner breiten Statur war er der Sache gewachsen. Er hatte Muskeln wie ein Hüne. Die langstielige Schaufel in der Hand wie ein Imperator, hätte er zwölf Stunden hintereinander geduldig und zufrieden gearbeitet, ohne dass sein Puls oder sein Atem sich beschleunigt hätten. Indessen hatte er nichts zu tun und war ein wenig entmutigt. In einem Ausbruch sehnsüchtigen Verlangens sagte er: »Wenn ich doch nur eine Stelle bei Pioneer bekommen könnte!«
»Was für eine Stelle bei Pioneer willst du denn?«, fragte ich.
»Na, als Hilfsarbeiter. Die kriegen fünf Dollar am Tag«, antwortete er.
Ich sagte: »Wenn das alles ist, was
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