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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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du willst – das kann ich einfädeln.«
    Higbie staunte. Er sagte: »Willst du damit etwa sagen, du kennst den Vorarbeiter und könntest mir eine Stelle verschaffen, hast nur die ganze Zeit über keinen Ton gesagt?«
    »Nein«, erwiderte ich, »ich kenne den Vorarbeiter nicht.«
    »Aha«, sagte er, »und wen kennst du dann? Wie willst du mir die Stelle verschaffen?«
    »Wieso«, sagte ich, »ist doch ganz einfach. Wenn du genau tust, was ich dir sage, und nicht versuchst, meine Anweisungen zu verbessern, hast du die Stelle schon heute Abend.«
    Er sagte eifrig: »Ich werde mich an deine Anweisungen halten, egal welche.«
    »Gut«, sagte ich, »geh hin und sag, dass du als Hilfsarbeiter anfangen möchtest; dass du das Nichtstun satt hast; dass du das Nichtstun nicht gewohnt bist und es nicht ertragen kannst; dass du die Arbeit nur zu deiner Erquickung brauchst und nichts dafür haben willst.«
    »Nichts?«, fragte er.
    »Genau«, sagte ich, »nichts.«
    »Gar keinen Lohn?«
    »Gar keinen Lohn.«
    »Nicht einmal Verpflegung?«
    »Nein, nicht einmal Verpflegung. Du willst umsonst arbeiten. Mach es ihnen klar – dass du absolut zufrieden damit bist, umsonst zu arbeiten. Und wenn sie sich deinen Körperbau ansehen, wird der Vorarbeiter denken, dass er das große Los gezogen hat, und du bekommst die Stelle.«
    »Ja, aber was für eine!«, rief Higbie empört.
    Ich entgegnete: »Erst sagst du, du wirst es tun, und jetzt mäkelst du schon herum. Du hast gesagt, du würdest meinen Anweisungen folgen. Ein Mann hält, was er verspricht. Jetzt zieh Leine und besorg dir die Stelle.«
    Er versprach es mir.
    Ich war ziemlich gespannt, was passieren würde – gespannter, als er wissen durfte. Ich zog es vor, hinsichtlich der Durchschlagskraft meiner Maßnahme vollkommen zuversichtlich zu wirken, und trug diese Zuversicht auch zurSchau. Aber in Wahrheit war ich sehr nervös. Dennoch glaubte ich, die menschliche Natur so gut zu kennen, dass ich wusste, einem Mann wie Higbie, wenn er seine Muskeln kostenlos anbot, würde man nicht die Tür vor der Nase zuschlagen, ohne es sich vorher gut überlegt zu haben. Die Stunden schlichen nur so dahin, und er kehrte nicht zurück. Allmählich fühlte ich mich immer besser. Meine Zuversicht wuchs. Bei Sonnenuntergang tauchte er endlich auf, und zu meiner Freude erfuhr ich, dass meine Erfindung eine gute Eingebung gewesen war und Erfolg hatte.
    Er sagte, zuerst sei der Vorarbeiter bass erstaunt gewesen und habe gar nicht gewusst, wie er mit diesem Vorschlag umgehen solle, dann aber habe er sich besonnen und sei offensichtlich froh gewesen, Higbie einstellen und ihm jene Erquickung verschaffen zu können, nach der es ihn so sehr verlangte.
    »Wie lange soll das so gehen?«, fragte Higbie.
    Ich antwortete: »Bedingung ist, dass du dabeibleibst; verrichte deine Arbeit, als bezögest du den gängigen Lohn. Du darfst dich nie beschweren; du darfst dir nie anmerken lassen, dass du gerne Lohn oder Verpflegung hättest. So geht das zwei, drei, vier, fünf, sechs Tage, je nach Machart des Vorarbeiters. Einige Vorarbeiter würden unter dieser Anspannung schon nach ein, zwei Tagen zusammenbrechen. Andere halten eine Woche durch. Es sollte schwer sein, einen zu finden, der das zwei Wochen aushält, ohne sich seiner selbst zu schämen und dir Lohn anzubieten. Nehmen wir mal an, unser Vorarbeiter ist ein Zwei-Wochen-Mann. In diesem Falle wirst du nicht zwei Wochen bleiben. Denn unter den Männern wird sich herumsprechen, dass der fähigste Hilfsarbeiter im Lager seine Arbeit so liebt, dass er gern bereit ist, sie auch ohne Bezahlung zu verrichten. Man wird dich für das neueste Kuriosum halten. Männer von den anderen Mühlen werden herbeiströmen, um dich in Augenschein zu nehmen. Du könntest Eintrittsgeld verlangen und würdest es auch bekommen, aber das darfst du nicht. Bleib deinem Vorsatz treu. Wenn die Vorarbeiter der anderen Mühlen einen Blick auf deine Körpermasse werfen und feststellen, dass du zwei gewöhnliche Männer wert bist, werden sie dir den halben Lohn anbieten. Den darfst du aber nicht annehmen, ohne es deinem Vorarbeiter zu melden. Gib ihm dieGelegenheit, dir dasselbe zu bieten. Sollte er das nicht tun, steht es dir frei, das Angebot des anderen Mannes anzunehmen. Higbie, binnen drei Wochen wirst du Vorarbeiter einer Mine oder eine Mühle sein, und zwar für einen mehr als anständigen Lohn.«
    Genauso kam es – und danach führte ich ein behagliches Leben, ohne etwas zu tun zu haben,

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