Meine geheime Autobiographie - Textedition
Dick Higham gedient. Fünf Jahre vor dem Krieg war Dick, ein gutmütiger, einfältiger gewinnender Bursche von siebzehn Jahren, Lehrling in der kleinen Druckerei meines Bruders in Keokuk, Iowa, gewesen. Er besaß eine alte Flinte und liebte es, mit dieser in der Druckerei auf und ab zu marschieren, während er behauptete, nichts anderes werden zu wollen als Soldat. Wir übrigen lachten ihn aus und sagten, er sei nichts als ein verkleidetes Mädchen und sobald er sich dem Feind gegenübersähe, würde er sein Gewehr fallen lassen und davonlaufen.
Aber wir waren keine guten Propheten. Als Präsident Lincoln schon bald darauf nach Freiwilligen verlangte, schloss sich Dick der 2. Iowa-Infanterie an, was ungefähr zur selben Zeit war, als ich meine Beschäftigung als Lotse auf dem Mississippi verlor und mich darauf einstellte, in Ralls County, Missouri, das Imitat eines Soldaten auf Seiten der Konföderierten zu werden. Die Zweite Iowa wurde in die Gegend von St. Louis verlegt und schlug dort ihr Lager auf. Sie brachte auf die eine oder andere Weise Schande über sich – und wenn ich mich recht erinnere, war ihre Strafe, dass sie erst dann wieder ihre Flagge entrollen dürfe, wenn dieses Privileg durch Tapferkeit auf dem Schlachtfeld zurückgewonnen sei. Als General Grant – im Februar 62 – den Angriff auf Fort Donelson befahl, bat die Zweite Iowa um Erlaubnis, den Überfall zu leiten, und der Bitte wurde stattgegeben. Ed Marshs Kompanie,in der Dick als Gefreiter diente, marschierte an vorderster Front den Hügel hinauf und weiter und über die gefällten Bäume und anderen Hindernisse, und Dick wurde von einer Kugel mitten durch die Stirn getroffen – und räumte mannhaft mit der hänselnden Prophezeiung auf, die fünf, sechs Jahre zuvor gemacht worden war. Was von der Zweiten Iowa noch übrigblieb, führte den Angriff siegreich zu Ende, mit fliegenden Fahnen, die nie wieder schmachvoll eingerollt werden mussten.
Zu unserer Hochzeit war auch Ed Marshs Schwester gekommen. Sie und ihr Bruder liebten sich abgöttisch bis vor etwa einem Jahr. Ungefähr zu der Zeit unserer Hochzeit hatte diese Schwester ein Großmaul namens Talmage Brown geheiratet, einen gescheiten, aber skrupellosen und zügellos religiösen Mann. Dank seiner Gerissenheit gelangte er zu großem Reichtum, und in seinem kurz vor seinem Tod verfassten Letzten Willen bestellte er Ed Marsh zu einem seiner Testamentsvollstrecker. Seine Hinterlassenschaft war eine Million Dollar wert oder mehr, seine geschäftlichen Angelegenheiten jedoch sehr verworren. Ed Marsh und die anderen Testamentsvollstrecker erfüllten ihre Pflicht getreu und ohne Entlohnung. Sie brauchten Jahre, um die geschäftlichen Angelegenheiten in Ordnung zu bringen, aber schließlich war es vollbracht. In den folgenden Jahren lief alles friedlich. Am Ende aber, vor etwa einem Jahr, überredeten einige Verwandte des verstorbenen Talmage Brown die Witwe, Ed Marsh und die anderen Testamentsvollstrecker auf eine hohe Geldsumme zu verklagen, von der sie behaupteten, die Vollstrecker hätten sie entweder gestohlen oder durch Misswirtschaft vergeudet. Das beendete die hingebungsvolle Beziehung, die Bruder und Schwester ihr Leben lang verbunden hatte. Die Klage allein brach Ed Marsh das Herz, denn er war ein durch und durch ehrenwerter Mann, der nicht einmal den Hauch eines Verdachts ertragen konnte. Er wurde bettlägerig, und der Fall kam zur Verhandlung. Seiner Schwester gab Ed keine Schuld; schuld seien allein die Browns. Diese hätten seiner Schwester den Verstand vergiftet. Das Gericht hörte die Parteien an. Danach wies der Richter die Klage mit vielen abschätzigen Bemerkungen ab. Die Browns erhoben sich, um den Gerichtssaal zu verlassen, er aber befahl ihnen, zu warten und sich anzuhören, was er sonst noch zu sagen hatte. Hierauf häutete er sie mit würdigenWorten bei lebendigem Leibe, nannte sie Schwindler und Betrüger und ließ sie gehen. Doch die Nachricht von seiner Ehrenrettung erreichte Marsh zu spät. Er erholte sich nie wieder. In den letzten beiden Monaten hatte sich sein Zustand unaufhörlich verschlechtert, und nun ist das Ende eingetreten.
Heute Morgen traf ein Brief von einem alten Kameraden aus dem Silberbergbau ein, Calvin H. Higbie, einem Mann, den ich seit vierundvierzig Jahren nicht mehr gesehen und auch nicht mehr gesprochen habe. In
Durch
dick und dünn
kommt Higbie in einem Kapitel vor, das davon handelt, wie wir in Aurora – beziehungsweise in Esmeralda, wie wir
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