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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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großzügigen Gehalts. Irgendwann wurde er nach New York geholt, wo er für Mr. Hearsts NewYorker Zeitung arbeiten sollte, und als er schließlich diese Stellung kündigte, war er sechzehn Jahre ohne Unterbrechung bei Mr. Hearst angestellt gewesen. Hierauf wurde er Leitartikler der
New York World
und genoss das Vorrecht, außerhalb der Stadt leben und seine Sachen einschicken zu können. Sein Gehalt betrug achttausend Dollar jährlich. Vor ein paar Jahren bot ihm
Collier’s Weekly
eine komfortable Stelle an, die sich besonders gut für ihn eignete, da er sich hauptsächlich mit historischen und zeitgeschichtlichen Themen befassen sollte – und die interessierten ihn. Das Gehalt sollte zehntausend Dollar betragen. Er holte meine Meinung ein, und ich riet ihm, das Angebot anzunehmen, was er auch tat. Als Mr. Pulitzer herausfand, dass er die
World
verlassen hatte, war er gar nicht erfreut, dass der Redaktionsleiter ihn hatte ziehen lassen, doch den traf keine Schuld. Er hatte von Moffetts Vorhaben erst erfahren, als er dessen Kündigung in den Händen hielt. Pulitzer bot Moffett eine Anstellung für zwanzig Jahre; die Laufzeit des Vertrages war auch über den Tod Pulitzers hinaus garantiert, und damit noch nicht genug, wurde das Angebot von dem außergewöhnlichen Vorschlag begleitet, Moffett dürfe sein Gehalt selbst bestimmen. Moffett aber blieb selbstverständlich bei
Collier’s,
denn sie waren bereits zu einer für beide Seiten zufriedenstellenden Vereinbarung gekommen.
    Mittwoch, 28. März 1906
    Orion Clemens’ Persönlichkeit – Sein Abenteuer im Haus von Dr. Meredith –
Sein Besuch um drei Uhr morgens bei einer jungen Dame – Der Tod von
Mr. Clemens’ Vater gleich nach seiner Ernennung zum Amtsrichter –
Mr. Clemens’ geringes Einkommen nach seinem Bankrott durch
Charles L. Websters Misswirtschaft
    Die Erfahrungen meines Bruders boten ein weiteres eindrucksvolles Beispiel für die Wirksamkeit meiner Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Irgendwann werde ich darauf eingehen. Aber erst einmal richtet sich mein Interesse auf seine Persönlichkeit, hervorgerufen durch die beiläufige Erwähnung seines Namens – und so will ich die anderen Dinge beiseiteschieben und diese umreißen.Es handelt sich um eine äußerst seltsame Persönlichkeit. In meinen ganzen siebzig Jahren bin ich keiner begegnet, die ihr gleichkam.
    Orion Clemens wurde 1825 in Jamestown, Fentress County, Tennessee, geboren. Als Erstgeborener der Familie war er mir zehn Jahre voraus. Zwischen uns beiden wurde meine Schwester Margaret geboren, die 1837 im Alter von zehn Jahren in dem Dorf starb, in dem ich das Licht der Welt erblickte, in Florida, Missouri; außerdem Pamela, die Mutter Samuel E. Moffetts, die ihr ganzes Leben stark gebeutelt war und vor einem Jahr etwa fünfundsiebzigjährig in der Nähe von New York starb, nachdem sie mit jeder der Menschheit bekannten Krankheit, Arznei und Heilmethode herumexperimentiert und alle diese Krankheiten, Arzneien und Heilmethoden mit einem Enthusiasmus ausgekostet hatte, der nur Menschen mit einer Leidenschaft für Neuheiten eigen ist. Ihr Charakter war ohne Makel, und sie hatte eine ausgesprochen liebenswerte und sanfte Natur. Dann hatten wir noch einen Bruder, Benjamin, der 1843 im Alter von zehn oder zwölf Jahren starb.
    Orion verbrachte seine Kindheit in der winzigen Holzfällersiedlung Jamestown in den sogenannten »Buckeln« von East Tennessee, inmitten einer äußerst spärlichen Bevölkerung von Hinterwäldlern, die von der Außenwelt ebenso wenig Kenntnis nahmen und sich deren Existenz ebenso wenig bewusst waren wie all die anderen wilden Tiere, die die umliegenden Wälder bewohnten. Die Familie zog nach Florida, Missouri, dann, als Orion zwölfeinhalb Jahre alt war, nach Hannibal, Missouri. Mit fünfzehn oder sechzehn wurde er nach St. Louis geschickt, und dort erlernte er das Druckerhandwerk. Eine seiner Charaktereigenschaften war die Leidenschaft. Jeden Morgen erwachte er voller Ehrgeiz für die eine oder andere Sache, der den ganzen Tag an ihm zehrte und über Nacht erlosch, um am nächsten Morgen, noch ehe er sich angekleidet hatte, in Form eines frischeren Interesses erneut aufzuflammen. Auf diese Weise verschliss er in jedem Lebensjahr dreihundertfünfundsechzig glühend heiße neue Leidenschaften – bis er eines frühen Morgens, den Federhalter in der Hand, an seinem Tisch starb, als er gerade dabei war, die Feuersbrunst des betreffenden Tages zu notieren und ihre Flammen und ihren

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