Meine geheime Autobiographie - Textedition
die er erduldete und die, wenn er wach war, nicht in seinem Gesicht geschrieben standen. So enthält dieBüste die Andeutung eines tapfer und mannhaft erduldeten Leidens, die unendlich rührend ist.
Nach zwei Stunden trat plötzlich General Badeau ein und sprach den General an, der daraufhin erwachte. Ohne die Unterbrechung durch dieses Rindvieh hätte er womöglich viel länger geschlafen.
Gerhardt arbeitete weiter, solange es genug Licht zum Arbeiten gab, dann ging er fort. Er sollte abermals kommen und tat dies auch am nächsten Tag; doch im letzten Moment wollte Colonel Fred Grant keine weitere Sitzung gestatten. Er sagte, das Gesicht sei so vollkommen, dass er Angst habe, es noch einmal antasten zu lassen, denn eine Nachbesserung könne seine Vortrefflichkeit verstärken, aber eben auch schwächen. Er lenkte unsere Aufmerksamkeit auf ein Ölgemälde an der Wand unten im Haus und fragte uns, ob wir den Mann kannten. Wir konnten seinen Namen nicht nennen – hatten sein Gesicht noch nie gesehen. »Nun«, sagte Colonel Grant, »das war einmal ein vollkommenes Porträt meines Vaters: nach einhelliger Meinung der Familie das beste, das es von ihm gab. Wir waren vollauf zufrieden damit, nur der Künstler war es leider nicht: Er wollte noch ein, zwei Pinselstriche machen, um es zu vervollkommnen, und bestand darauf, es nochmals mitzunehmen. Nachdem er letzte Hand angelegt hatte, ähnelte es weder meinem Vater noch sonst wem. Wir haben es an uns genommen und als eine Art Kuriosum aufbewahrt. Unsere Lektion haben wir jedoch gelernt und werden die Büste vor einem ähnlichen Schicksal bewahren.«
Allerdings erlaubte er Gerhardt, am Haar des Generals zu arbeiten: Auf dieses möge er so viel Talent verwenden, wie er wolle, aber danach sei Schluss.
Gerhardt vollendete das Haar zu seiner Zufriedenheit, das Gesicht indessen rührte er nicht mehr an. Colonel Grant nahm Gerhardt das Versprechen ab, mit der Tonbüste so achtsam wie möglich umzugehen und sie ihm zu überlassen, sobald er einen Abguss gemacht habe. So geschah es auch.
Gerhardt präparierte den Ton, so gut er konnte, um ihn dauerhaft zu konservieren, und schenkte die Büste Colonel Grant.
Bis zum heutigen Tage, dem 22. Mai 1885, ist von General Grant kein weiteres Bildnis nach Modell geschaffen worden, und sollte dies vielleichtsogar das letzte von ihm bleiben, das nach Modell geschaffen wurde, können künftige Generationen dankbar sein, dass, nachdem sein Name durch die Welt ging, ein nahezu vollkommenes Bildnis von ihm geschaffen wurde.
Grants Memoiren
1885 (Frühjahr)
Einige Zeit nachdem der Vertrag für General Grants Buch abgeschlossen worden war, fand ich heraus, dass es zwischen dem General und der Century Company lediglich eine mündliche Absprache gab, die es ihm erlaubte, seine
Century
-Artikel für das Buch zu verwenden. Nach dem Gewohnheitsrecht kann ein Autor einen Zeitschriftenartikel, wenn er erschienen ist, nach Belieben weiterverwenden, und dieses Gewohnheitsrecht ist so fest verankert, dass ein Autor nicht damit rechnet, Schwierigkeiten zu bekommen, wenn er darum bittet, man möge ihm das Urheberrecht an einem Artikel übertragen, um diesen in ein Buch aufzunehmen. Im vorliegenden Fall befürchtete ich allerdings, dass die Century Company auf ihren gesetzlichen Rechten bestehen und das Gewohnheitsrecht ignorieren könnte, was uns daran gehindert hätte, General Grants
Century
-Artikel in seinem Buch zu verwenden – eine unangenehme Sache, denn mittlerweile war er zu krank, um sie neu zu schreiben. Wir mussten etwas unternehmen, und zwar sofort.
Mr. Seward, General Grants Anwalt, war sehr beunruhigt, als er erfuhr, dass nichts Schriftliches vorlag. Ich war es nicht. Ich glaubte, mich darauf verlassen zu können, dass die Century-Leute eine mündliche Absprache, die sie eingegangen waren, auch einhalten würden. Mir machte lediglich Sorge, dass ihre Auffassung von der mündlichen Absprache und die des Generals voneinander abweichen könnten. So begab ich mich erneut zum Haus des Generals und veranlasste Colonel Fred Grant, die mündliche Absprache, so wie er sie verstand, aufzuschreiben, und dieses Schriftstück wurde dem General vorgelesen, der sagte, so sei es korrekt, und eigenhändig unterschrieb: eine schwache, zittrige Unterschrift, aber doch als die seine erkennbar.
Dann ließ ich Webster und unseren Anwalt kommen, und zu dritt gingen wir zum Büro von Century, wo wir Roswell Smith (den Geschäftsführer desUnternehmens) und
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