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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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Waisenhaus zur Versorgung eines halben Dutzends verwahrloster Kinder plante; seitdem hat er sechs oder sieben Millionen Dollar für seine mildtätige Arbeit gesammelt und ausgegeben und ist heute ebenso arm, wie er es zu Beginn war. Er hat fünf große Waisenhäuser gebaut; in diesen kleidet, speist und lehrt er zweitausend Kinder zum Preis von hunderttausend Dollar im Jahr, und das Geld dafür stellt England bereit – nicht auf Spendenaufrufe, Werbung oder irgendeinen äußeren Anstoß hin, sondern eindeutig mit Hilfe
freiwilliger
Spenden. Wenn das Geld zur Neige geht, betet Müller – nicht etwa öffentlich, sondern privat –, und seine Schatzkammer wird wieder gefüllt. In sechzig Jahren sind seine Waisenkinder an keinem einzigen Tag hungrig zu Bett gegangen; und doch wäre es viele Male um ein Haar so weit gekommen. Die Namen der Spender werden nicht publik gemacht; Listen werden nicht veröffentlicht; Ruhm lässt sich mit diesen Spenden nicht erwerben; und doch klingelt an jedem Tag des Jahres der täglich notwendige Bedarf von drei- oder vierhundert Dollar in der Kasse. Diese wunderbaren Tatsachen sind kaum zu glauben, aber wahr.
    Mark Twain

Vier Skizzen über Wien
    [Die Schönheiten der deutschen Sprache]
    3. Februar, Wien.
Gestern Abend Lesung zugunsten einer Wohltätigkeitsorganisation im Bösendorfersaal. Als ich gerade das Podium besteigen wollte, überreichte mir ein Bote ein Kuvert mit meinem Namen darauf, und darunter stand: »Bitte lesen Sie heute Abend eine davon.« Beigefügt waren zwei Zeitungsausschnitte – zwei Fassungen einer Anekdote, die eine auf Deutsch, die andere auf Englisch. Ich hatte nicht übel Lust, an meinen Zuhörern die deutsche Fassung auszuprobieren, nur um zu sehen, was passieren würde, aber mein Mut ließ nach, als ich die respekteinflößende Länge des letzten Wortes sah, und ich gab auf. Ein Jammer, denn auf dem Podium hätte sie sich gut zur Wirkung bringen lassen und mir Rufe nach Zugabe eingebracht. Entweder das oder einen Ziegelstein, es lässt sich nie voraussagen, wie ein neues Publikum reagiert; sein Geschmack ist launisch. Die Pointe dieser Anekdote ist eine berechtigte Spöttelei über die langen Wörter im Deutschen und gar nicht so übertrieben, wie man annehmen möchte. Die langen Wörter im Deutschen sind keine legitime Konstruktion, sondern eine schändliche Künstelei, ja eine regelrechte Mogelei. Das Wörterbuch erkennt sie nicht an und verzeichnet sie nicht. Sie entstehen, indem man ganz überflüssigerweise viele Einzelwörter zusammenwürfelt, sie sind ein bequemer Kunstgriff der Unbildung und ein Verbrechen gegen die Sprache. Nichts wäre gewonnen, kein wertvoller Platz gespart, wenn man auf einer englischen Visi enkarte die Wörter
»Mrs. Smith, widow of the late Commander-in-Chief of the
Police Department«
einfach so zusammenwürfelte, wie eine deutsche Witwe es ohne große Anstrengung fertigbringt:
»Mrslatecommanderinchiefofthepolicede
partment’swidow Smith.«
    Hier ist die deutsche Fassung der Anekdote:
     
    Eine Dresdener Zeitung,
Der Waidmann,
die der Auffassung ist, dass es in Südafrika Beutelratten gibt, teilt mit, dass die Hottentotten sie in Kotter sperren, welche mit Lattengittern versehen sind, um sie vor dem Wetter zu schützen. Daher heißen die Kotter Lattengitterwetterkotter und die gefangenen Beutelratten Lattengitterwetterkotterbeutelratten. Eines Tages wurde ein Attentäter verhaftet, der eine Hottentottenmutter ermordet hatte, die Mutter zweier stotternder trotteliger Kinder in Strättertrotel. Auf Deutsch heißt diese Mutter Hottentottenstottertrottelmutter und der Attentäter Hottentottenstottertrottelmutterattentäter. Der Mörder wurde in einen Beutelrattenlattengitterwetterkotter gesperrt, aus dem er wenige Tage später entkam, doch glücklicherweise wurde er von einem Hottentotten wieder eingefangen, der mit strahlendem Gesicht beim Bürgermeister vorsprach. »Ich habe die Beutelratte gefangen«, sagte er. »Welche?«, fragte der Bürgermeister. »Wir haben mehrere.« »Die Attentäterlattengitterwetterkotterbeutelratte.« »Von welchem Attentäter sprechen Sie?« »Von dem Hottentottenstottertrottelmutterattentäter.« »Warum sagen Sie’s nicht gleich? Sie meinen die Hottentottenstottertrottelmutterattentäterlattengitterwetterkotterbeutelratte?«
    [Eine Bemerkung zu Tautologien und Grammatik]
    6. Mai.
*** Ich finde nicht, dass die mehrfache Wiederholung eines wichtigen Wortes in einem Absatz – sagen wir drei-

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