Meine geheime Autobiographie - Textedition
oder viermal – mein Ohr stört, wenn sich dadurch größere Klarheit erreichen lässt. Die tautologische Wiederholung dagegen, die kein erkennbares Ziel verfolgt, sondern lediglich bloßlegt, dass das Guthaben des Schriftstellers bei seiner Wortschatzbank knapp geworden und er zu träge ist, es mit Wörtern aus dem Synonymwörterbuch aufzustocken, ist eine andere Sache. Dann habe ich Lust, den Schriftsteller zur Rechenschaft zu ziehen. Dann verspüre ich den Wunsch, ihn daran zu erinnern, dass er sich und seinen Beruf nicht mit dem nötigen Respekt behandelt und – nebenbei bemerkt – auch mich nicht mit der angemessenen Ehrerbietung. Heute Morgen beim Frühstück las uns ein Mitglied der Familie die interessante Besprechung eines neuen Buches über Mr. Gladstone vor, in der der Rezensent dreizehnmal das starke Adjektiv »entzückend «verwendete. Dreizehnmal in einer kurzen, nicht etwa einer ausführlichen Besprechung. In fünf Fällen war das Wort eindeutig das treffendste, genaueste, beste, das unsere Sprache bereithält, insofern erzeugte es keinen Misston; in den übrigen Fällen jedoch klang es schrill. Jene Male erhöhte oder erniedrigte es die Tonart und stach genauso unangenehm hervor wie eine falsche Note in der Musik. Ich schlug im Synonymwörterbuch nach, und unter einem einzigen Stichwort stieß ich auf vier Wörter, die die falschen Noten, die vier der missbrauchten »entzückend« zum Erklingen gebracht hatten, durch richtige ersetzen würden; hätte ich eine Stunde lang nachgeforscht und unter verwandten Stichwörtern eine erschöpfende Suche durchgeführt, wäre ich natürlich auf passende Wörter, die Zwischentöne, gestoßen, mit denen die verbleibenden Delinquenten hätten ersetzt werden können.
Vermutlich haben wir alle unsere Marotten. Ich bevorzuge die richtige Wortwahl, Klarheit des Ausdrucks und für die Schönheit hier und da einen Hauch guter Grammatik; der Rezensent dagegen kümmert sich nur um Letzteren. Seine Grammatik ist närrisch korrekt, beleidigend präzise. Sie paradiert vor den Augen des Lesers, feixt, protzt und prahlt und ist auf dutzenderlei Weise ärgerlich und lästig. Aber mal im Ernst, gute Grammatik verwende ich selbst, dankenswerterweise allerdings nicht in diesem Geist. Will sagen, meine Grammatik ist von hoher Qualität, wenngleich nicht von höchster. Das ist sie bei keinem. Perfekte Grammatik – durchgängig, fortlaufend, anhaltend – ist gewissermaßen die vierte Dimension: viele haben nach ihr gesucht, aber keiner hat sie gefunden. Selbst dieser Rezensent, dieser Purist mit all seinen gottlosen Allüren, hat sich zwei, drei Entgleisungen geleistet. Zumindest bilde ich mir das ein. Nach dem Gehör bin ich mir fast sicher, kann’s aber nicht beschwören, denn ich beherrsche die Grammatik nur nach Gehör, nicht nach Noten, nicht nach Regeln. Noch vor einer Generation kannte ich die Regeln – kannte sie in- und auswendig, Wort für Wort, wenn auch nicht ihre Bedeutung – und eine weiß ich immer noch: die Regel, die besagt – die besagt – halb so wild, gleich fällt sie mir wieder ein. Der Rezensent scheint sogar zu wissen, an welcher Stelle des englischen Satzes er das Wort für »sogar« einfügen muss und auch das Wort für »nur«. Solche Leutemag ich nicht. Ich habe noch nie welche gekannt, die ein gutes Ende genommen hätten. Jemand, der so selbstgerecht ist, ist zu allem fähig. Das weiß ich, denn es ist mir schon häufiger aufgefallen. Ich würde nicht zögern, einem derartigen Menschen etwas anzutun, wenn ich könnte. Es ist ein schlechtes Zeichen, wenn ein Mensch seine Grammatik in solche Höhen führt. Es zeigt, wozu er fähig ist, wenn er nur die Gelegenheit erhält; es zeigt, was für eine Gesinnung er hat; das habe ich schon oft bemerkt. Einmal kannte ich einen, der zu fast allem fähig war. Sie schrecken vor nichts zurück.
Gleichviel, die Rezension dieses grammatischen Lackaffen ist, wie bereits bemerkt, durchaus interessant. Und es gibt darin einen Satz, der einem im Munde zergeht, so vollkommen fangen die letzten fünf Wörter eine Empfindung ein, die wir alle schon einmal gehabt haben, wenn wir lange über einem fesselnden Buch saßen. Es geht um Mr. Gladstones Gespräche im Stil von Boswell und um seine glückliche Hand bei der Erörterung seiner Themen.
Eine Facette nach der anderen im Geist dieses glänzenden Redners funkelt uns an, bis wir vor Interesse ermatten.
Das ist doch mal klar gesagt. Wir erkennen dieses Gefühl.
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