Meine geheime Autobiographie - Textedition
einzige Zeugin, die vorgeladen wurde, um vor einer Jury auszusagen, die mit einer unzweideutigen Aufgabe beauftragt war – sie schuldig zu sprechen, ob sie schuldig war oder nicht. Sie musste anhand ihrer eigenen Worte überführt werden, da es keine andere Möglichkeit gab, es sonst zu bewerkstelligen. Jeder Vorteil, den Gelehrsamkeit vor Unwissenheit, Alter vor Jugend, Erfahrung vor Unerfahrenheit, Schikane vor Arglosigkeit hat ˆ; ˆ , jede List, jeder Fallstrick, jede Schlinge, die die Bosheit und Arglist eines scharfen Verstandes, darin geübt, den Unachtsamen Fallen zu stellen, ersinnen könnenˆ,ˆ–/ alle diese wurden schamlos gegen sie eingesetzt; und als diese Kunstgriffe von den wunderbaren Intuitionen ihres wachen und durchdringenden Geistes einer nach dem anderen vereitelt wurden, gab sich Bischof Cauchon zu einer letzten Niederträchtigkeither, die zu schildern jede menschliche Rede entwürdigtˆ.ˆ ; eˆEˆin Priester, der vortäuschte, aus ihrer Heimatregion zu stammen und ein mitleidiger Freund zu sein, bemüht, ihr in ihrer peinlichen Not zu helfen, wurde in ihre Zelle geschmuggelt; er missbrauchte sein heiliges Amt, um ihr Vertrauen zu erschleichenˆ,ˆ ;und ˆso dassˆ sie vertraute ihm die Dinge ˆTatsachenˆ an ˆvertrauteˆ, die zu enthüllen ihre Stimmen ihr verboten hatten und die ihr zu entlocken ihre Verfolger so lange vergebens versucht hatten. Ein versteckter Komplize notierte alles und händigte es Cauchon aus, der die auf diese Weise erlangten Geheimnisse Johannas ˆJeannesˆ zu ihrem Verderben verwendete.
Während derˆsˆ Prozesses wurdeˆnˆ , was immer die Aussagen der im Voraus verurteilten Zeugin , ihrer wahren Bedeutung, wenn möglich, beraubt und gegen sie verwendet; und jedes Mal, wenn eine Antwort von ihr nicht umgemünzt werden konnte, durfte sie nicht ins Protokoll aufgenommen werden. Bei einer solchen Gelegenheit machte sie Cauchon den Vorwurf: » Ah , Ihr schreibt alles auf, was gegen mich spricht, aber Ihr wollt nicht aufschreiben, was für mich ˆzu meinen Gunstenˆ spricht.«
5. Dass der ˆihrˆ Genius dieses ungebildeten jungen Geschöpfs für Krieg wunderbar ˆerstaunlichˆ war und ihre Feldherrnkunst alte und ausgebildete ˆdie einer erprobten und antrainiertenˆ militärischeˆnˆ Erfahrung suggerierte , dafür haben wir die beeidigte Aussage zweier ihrer altgedienten Untergebenenˆ,ˆ–/ einmal des Duc d’Alençon, Bruder des Königs von Frankreich; zum anderen des größten der französischen Generäle seiner Zeit, Dunois, des Bastards von Orleans ˆ. ˆ/ ; d ˆ D ˆ ass ihr ˆ e ˆ Genius ebenso groß – womöglich noch größer – war ˆMachtˆ im subtilen Krieg ˆKampfˆ des Gerichtssaals ˆebenso gro߈ , wenn nicht größer ˆwarˆ, dafür haben wir als Zeugen die Protokolle derˆsˆ Prozesseˆsˆ zu Rouen, jener fortgesetzten Zurschaustellung intellektuellen Kampfgeists mit den führenden Köpfen Frankreichs, den sie mit Auszeichnung absolvierteˆ.ˆ ; d ˆDˆass ihre moralische Größe ihrem Intellekt ebenbürtig war, dafür können wir als Zeugen wiederum ˆdenˆ die Prozesse zu Rouen anführen, ˆderˆ die eine Seelenstärke beweis en ˆtˆ, welche zwölf Wochen lang geduldig und standhaft die auszehrende Wirkung von Gefangenschaft, Ketten, Einsamkeit, Krankheit, Dunkelheit, Hunger, Durst,Kälte, Schmach, Beleidigung, Misshandlung, Schlaflosigkeit, Verrat, Undankbarkeit, erschöpfender Belagerung durch Kreuzverhöre und Androhung von Tortur ertrug, vor ihr die Folterbank und der bereitstehende Scharfrichter: doch nie gab sie sich geschlagen, nie bat sie um Schonung, und am letzten Tag war das hinfällige Wrack ihres Körpers ebenso unbesiegbar wie ihr unerschütterlicher Geist am ersten.
6. So groß sie in vieler Hinsicht war, vielleicht sogar am größten war sie in den eben aufgeführten hohen Dingenˆ,ˆ–/ ihrer geduldigen Ausdauer, ihrer Standhaftigkeit, ihrer granitenen Kraft. Wir können nicht ˆniemalsˆ hoffen, so leicht jemanden zu finden, der ihr in diesen majestätischen Eigenschaften gleicht ˆgleichkommt.ˆ ; w ˆWˆohin wir auch den Blick heben, wir finden nur einen seltsamen und sonderbaren Kontrast – dort in dem gefangenen Adler, der auf dem Felsen von St. Helena mit den gebrochenen Flügeln schlägt.
7. ˆDerˆ Die Prozesse endete n mit ihrer Verurteilung. Aber d ˆDˆa sie nichts gestanden, nichts bekannt hatte, war es ein Sieg für sie, eine Niederlage für Cauchon. Seine niederträchtigen Mittel waren jedoch noch längst
Weitere Kostenlose Bücher