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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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Sicherheit in seiner Kasse hinterlegt hatte. Zweifellos wollte er sie daran hindern, aus den Vereinigten Staaten zu flüchten – und vielleicht will er diesen schwerwiegenden Vorwurf aufgreifen und ausreizen.
    Die Dame liegt noch immer in ihrem Bett im ersten Hotel Washingtons, mitgenommen von dem Schock und verständlicherweise sehr empört über die Behandlung, die ihr zuteilgeworden ist – aber ihr ruhiger, gefasster, unaufgeregter und wohlgesetzter Bericht über ihr Abenteuer ist überzeugender Beweis dafür, dass sie nicht unzurechnungsfähig war, nicht einmal in dem bescheidenen Ausmaß von fünf Dollar.
    Jetzt kennen Sie die Fakten. Es ist so, wie ich gesagt habe – mehrere Tage haben sie fast die gesamte Aufmerksamkeit der amerikanischen Nation beansprucht; sie haben die russische Revolution, das Geheimnis Chinas und den ganzen Rest aus dem Blickfeld vertrieben. Genau das ist es, was den angemessenen Stoff einer Autobiographie ausmacht. Sie schreiben den Zwischenfall nieder, der für Sie im Augenblick der interessanteste ist. Wenn Sie ihn drei oder vier Wochen auf sich beruhen lassen, wundern Sie sich, weshalb Sie je daran gedacht haben, so etwas niederzuschreiben – es hat keinen Wert, keine Bedeutung. Der Champagner, der Sie zu dem betreffenden Zeitpunkt trunken gemacht hat, sei es vor Wonne, sei es vor Verzweiflung, hat sich verflüchtigt, ist schal geworden. Doch genau daraus besteht ein Menschenleben – aus kleinen Zwischenfällen und aus großen Zwischenfällen, und wenn wir sie auf sich beruhen lassen, haben sie alle dieselbe Größe. Eine Autobiographie, die die kleinen Dinge auslässt und nur die großen aufzählt, ergibt kein richtiges Bild vom Leben des Betreffenden; sein Leben besteht aus seinen Gefühlen und seinen Interessen, und hier und da gibt es einen scheinbar großen oder kleinen Zwischenfall, an dem man diese Gefühle aufhängen kann.
    Der Morris-Zwischenfall wird schon bald keine Bedeutung mehr haben, und doch wird ihn der Biograph Präsident Roosevelts ungeheuer wertvoll finden, falls er ihn prüft – ihn untersucht – und klug genug ist, um zu erkennen,dass er viel Licht auf den Charakter des Präsidenten wirft. Zweifellos besteht das wichtigstes Merkmal einer Biographie darin, den
Charakter
des Mannes offenzulegen, um dessen Biographie es sich handelt. Roosevelts Biograph wird die Lauf- und Lebensbahn des Präsidenten Schritt für Schritt, Meile für Meile mit Hilfe aufschlussreicher Episoden und Vorfälle erhellen. Als eines dieser Schlaglichter sollte er den Morris-Zwischenfall verwenden, denn der ist eine Frage des Charakters. Es ist ein Vorfall, wie er sich vermutlich unter keinem anderen Präsidenten hätte zutragen können, der je im Weißen Haus residiert hat. Washington würde doch nicht die Polizei rufen und eine Dame einfach über den Zaun werfen lassen! Damit meine ich nicht, dass Roosevelt das tun würde. Damit meine ich, dass Washington in seiner Amtsfamilie keine Barnes gehabt hätte. Es sind die Roosevelts, die sich mit den Barnes umgeben. Dieser Privatsekretär hat ganz recht daran getan, den Zutritt zum Präsidenten zu verweigern – schließlich kann der Präsident nicht jeden in Privatangelegenheiten empfangen, folglich ist es durchaus korrekt, dass er sich weigert, auch nur eine Person in einer Privatangelegenheit zu empfangen – dass er die ganze Nation gleich behandelt. Das ist eine Sache, die von Anfang an bis heute so gehandhabt worden ist – in Privatangelegenheiten ist den Leuten schon immer der Zutritt zum Präsidenten verweigert worden, jeden Tag, von Washingtons Zeit bis in unsere. Immer haben die Sekretäre ihre Ansicht durchgesetzt; Mr. Barnes die seine. Aber je nachdem, welcher Präsident im Amt war, haben sich die Methoden unterschieden – der Sekretär des einen Präsidenten hat die Sache auf die eine Weise gehandhabt, der Sekretär des anderen auf eine andere –, doch niemals wäre es einem früheren Sekretär in den Sinn gekommen, die Sache zu regeln, indem er die Dame über den Zaun wirft.
    Theodore Roosevelt ist einer der impulsivsten Männer, die es gibt. Das ist der Grund, weshalb er impulsive Sekretäre hat. Wahrscheinlich denkt Präsident Roosevelt über die richtige Art, etwas zu tun, nie nach. Das ist der Grund, weshalb er Sekretäre hat, die nicht fähig sind, über die richtige Art, etwas zu tun, nachzudenken. Naturgemäß umgeben wir uns mit Leuten, deren Gewohnheiten und Einstellungen mit den unsrigen übereinstimmen. Mr.

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