Meine geheime Autobiographie - Textedition
auf dem Wege war, dort in Kürze Präsident zu werden, rechtzeitig in den Sielen zu sterben und einen untadeligen Ruf zu hinterlassen, während sich die Chefs der New Yorker Versicherungsgesellschaften zur gleichen Zeit der ewigen Verdammung ihres Rufes näherten. Colonel Greene erörterte die Traumfrage auf seine übliche Art – will sagen, er begann einen Satz und führte ihn immer weiter fort, indem er hier und da, im Abstand von einem halben Meter, ein Komma einstreute, nie nach einem Wort suchte und ruhig weiterströmte wie ein Fluss ohne Riffe auf halber Uferhöhe; die Oberfläche des Vortrags war glatt wie ein Spiegel; sein Aufbau vollendet und so, wie er sprach, ohne eine Korrektur druckreif. Und als am Ende seiner zehn Minuten der Hammer fiel, setzte er genau da, wo er gerade war, einen Punkt und verstummte – und dieser Zeitpunkt war ebenso gut, wie es jeder andere in seinem zehnminütigen Satz gewesen wäre. Wenn man die Rede überdachte, stellte man fest, dass sie undeutlich mit den Meilensteinen der vielen Kommata versehen war, die ereingefügt hatte, genauso gut aber hätte weglassen können, weil sie lediglich seine Marschroute absteckten und sonst nichts. Sie lenkten die Aufmerksamkeit nicht auf die Landschaft, denn es gab keine. Seine Reden verliefen immer so – vollkommen glatt, hervorragend konstruiert; und wenn er geendet hatte, konnte keiner der Zuhörer vor Gericht gehen und bezeugen, was er gesagt hatte. Es war ein seltsamer Stil. Es war eindrucksvoll – von einem Komma zum nächsten glaubte man stets, er werde jeden Augenblick auf einen Fund stoßen, aber er tat es nie. An dem Abend jedoch, von dem ich spreche, saß der stattliche und prachtvolle Rev. Dr. Burton da und hielt den Blick von Anfang bis Ende des Satzes auf Greene gerichtet. Er sah aus wie der Ausgucker auf einem Walfänger, der Ausschau hält, wo ein Wal abgetaucht ist, und darauf wartet, dass er wieder auftaucht; und zweifellos war genau das das Bild, das Burton durch den Sinn ging, denn als Greene endlich endete, warf Burton die Hände in die Luft und rief: »Da bläst er!«
Der ältere Hamersley nahm seine zehn Minuten in Anspruch, mühelos, geruhsam, mit hübschen Wendungen und höchst unterhaltsam – und nichts anderes erwartete man von dem älteren Hamersley.
Dann nutzte sein Sohn Will Hamersley, ein junger Anwalt, heute seit vielen Jahren Richter am Obersten Gerichtshof von Connecticut, seine Chance in Sachen Träume. Und ich kann mir nichts Quälenderes vorstellen als einen Vortrag von Will Hamersley – einen Vortrag des
damaligen
Will Hamersley. Man wusste
immer
schon im Voraus, dass er auf jeden Fall etwas sagen würde – etwas, was man davontragen konnte, was man bedenken konnte, was man nicht leicht vergessen konnte. Aber man wusste auch, dass man viele Foltern erleiden musste, bevor er es herausbrachte. Er zögerte und zögerte, kam bis zur Mitte eines Satzes und suchte und suchte und suchte nach einem Wort, fand nicht das richtige, suchte erneut, fand wieder nicht das richtige, suchte weiter und weiter – und auf diese Weise fuhr er fort, bis jeder sich seinetwegen elend fühlte und hoffte, er werde rechtzeitig fündig werden, und in der Überzeugung, diesmal werde er nicht fündig werden, immer tiefer in Verzweiflung versank. Er schien sich von einem möglichen Ziel so weit zu entfernen, dass man überzeugt war, er könne die dazwischenliegende Strecke nicht zurücklegen und zum Abschluss kommen, bis seine zehn Minutenabgelaufen wären und ihn zwischen Himmel und Erde hängen ließen. Doch so sicher wie das Amen in der Kirche kam Will Hamersley vor Ablauf der zehn Minuten zu seiner Pointe, die er mit einem so runden, vollständigen, hübschen, befriedigenden und undemonstrativen Knall hervorholte, dass man sich vor Bewunderung und Dankbarkeit von seinem Sitz erhob.
Gelegentlich ergriff auch Joe Twichell das Wort. Er sprach, wie unschwer zu erkennen war, weil er etwas zu sagen hatte, und er konnte sich gut ausdrücken. Aber in der Regel sagte er nichts und trat seine zehn Minuten dem Nächsten ab – und wann immer er sie Charles E. Perkins abtrat, lief er Gefahr, von den übrigen Mitgliedern auf dem Heimweg gelyncht zu werden. Charles E. Perkins war der langweiligste Weiße in ganz Connecticut – und ist es vermutlich bis zum heutigen Tag geblieben; von einem ernsthaften Konkurrenten habe ich nicht gehört. Perkins schwafelte, schwafelte und schwafelte und verwendete dabei das alltäglichste,
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