Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
Vom Netzwerk:
Genugtuung, wie er das sagte – »nur für ein einmaliges Gastspiel«. Es schien zu offenbaren, dass er in seinem halben Jahrhundert der Tagträumerei ein Edwin Booth gewesen war und nicht ahnte, dass er nur John Malone war – dass er ein Edwin Booth gewesen war und dass eine lange, bedeutende und erfolgreiche Laufbahn hinter ihm lag, in der »einmalige Gastspiele« in Bedeutungslosigkeit versanken und sein Gedächtnis, nicht gewohnt, derlei Kleinigkeiten zu schätzen, darüber nicht Buch führen konnte. Er sagte es mit der herrlichen Gleichmütigkeit und Abgeklärtheit eines Napoleon, der eine müßige Anstrengung unternimmt, sich eines Scharmützels zu erinnern, bei dem ein paar seiner Soldaten gefallen sind, es eigentlich aber nicht der Mühe wert findet, nach einer solchen Tatsache zu graben.
    Gestern unterhielt ich mich mit Volney Streamer über John Malone. Obwohl ich Streamer nichts davon sagte, verfolgte ich damit einen bestimmten Zweck. David Munro konnte dem Dinner nicht beiwohnen, und um sich erkenntlich zu zeigen, richtet er für den 6. Februar ein weiteres aus. David nannte mir die Gäste, die er einladen wollte, und sagte, wenn es jemanden gebe, den ich gern einladen würde, solle ich darüber nachdenken und ihm den Namen übermitteln. Ich habe darüber nachgedacht und hier auf diesem Schreibblock den Namen des Mannes notiert, den ich ausgewählt habe – John Malone –, in der Hoffnung, dass er diesmal nicht übergangen werden muss, und in dem Wissen, dass er nicht übergangen wird, es sei denn, David wünscht es so, und ich glaube nicht, dass David das wünscht. Jedenfalls nutzte ich die Gelegenheit, um im Gespräch mit Volney Streamer die Fühler auszustrecken und ihn einfach zu fragen, welche Haltung die Mitglieder des Players heute John Malone gegenüber einnahmen – und diese Frage wurde rasch und mühelos beantwortet: dass jeder John Malone mochte und jeder ihn bemitleidete.
    Dann erzählte er mir John Malones Geschichte. Sie unterschied sich in einigen Punkten von der Geschichte, die Malone mir erzählte hatte, aber nicht in den wesentlichen Zügen, würde ich sagen. Ein Umstand kam zutage, von dem ich nichts gewusst hatte – dass John kein Junggeselle war, sondern eine verheiratete Tochter hatte, die irgendwo hier in New York lebte. Als Streamer fortfuhr, erlebte ich diese Überraschung: dass auch
er
Mitglied von Edwin Booths Truppe gewesen war, als John Malone sich vor tausend Jahren der Gesellschaft anschloss, und die Pazifikküste rauf und runter und im Rest der Vereinigten Staaten jahrelang Johns Kollege. Da haben Sie’s: Ein wildfremder Mensch schaut ganz beiläufig vorbei, und als Erstes erfahre ich, dass er ein uralter moosbewachsener und stockfleckiger Kollege des Mannes ist, der mich im Augenblick innerlich am meisten beschäftigt. Diese Dinge passieren, wenn man Tagebuch und Geschichte miteinander kombiniert, und nur auf diese Weise wird man ihrer habhaft. Wenn man versucht, sie nicht zu vergessen, in der Absicht, sie in einem Monat oder in einem Jahr in Form einer Geschichte niederzuschreiben, und endlich dazu kommt, ist der ganze Saft heraus – man kann sich die Einzelheitennicht ins Gedächtnis rufen. Außerdem haben sie an Überraschung und Freude eingebüßt. Sie sind vertan und dahin.
    Nun gut – gestern traf Reverend Joe Twichell aus Hartford ein, um zu Abend zu essen und über Nacht zu bleiben und einige Lügen auszutauschen, und er saß den Rest des Nachmittags hier an meinem Bett, und wir unterhielten uns, und ich erzählte ihm von John Malone. Heute Morgen (am 16.) kam Twichell nach dem Frühstück herein, um noch einmal zu plaudern, und er brachte mir diesen Artikel mit, den er aus der Morgenzeitung ausgeschnitten hatte:
    ALTGEDIENTER SCHAUSPIELER TOT

    John Malone war Historiker des Players’ Club
     
    John Malone, Historiker des Players’ Club und einer der ältesten Schauspieler im Lande, erlitt gestern Nachmittag vor Bischof Greers Residenz, 7 Gramercy Park, ein paar Türen vom Club entfernt, einen Schlaganfall. Bischof Greer sah, wie er stürzte, und trug Mr. Malone mit Hilfe seiner Diener ins Haus. Er war ohne Bewusstsein, und der Bischof rief das Polizeihauptquartier an.
    Vom Bellevue Hospital wurde ein Rettungswagen geschickt und Mr. Malone von Dr. Hawkes ins Krankenhaus gebracht. Später ließen ihn die Players ins Post-Graduate Hospital überführen, wo er noch in der Nacht starb.
    Mr. Malone war 65 Jahre alt und hatte alle namhaften Schauspieler einer

Weitere Kostenlose Bücher