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Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde

Titel: Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Crowley Knut Krueger
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ging alles ganz schnell. Mama stand draußen auf dem Bürgersteig, hielt ihren im Wind flatternden Rock zusammen und redete auf den Sheriff ein, während dieser den Dichter auf die Rückbank des Polizeiautos verfrachtete. Auf einmal brauste Myrtle Dean wie aus dem Nichts mit ihrem großen Cadillac heran. Mabel befand sich für einen Augenblick mit zwei Reifen auf dem Bordstein und im nächsten Moment sah man Mama durch die Luft fliegen.
    Obwohl ich mich nicht daran erinnere, mich überhaupt bewegt zu haben, stand ich plötzlich über ihr. Alle drängten sich hinter mir zusammen, während der Wind um uns heulte. Ihre Clogs waren verschwunden. Dr. Wilson eilte herbei und fühlte ihr den Puls. Ich starrte unentwegt ihre Ohrringe an, die im Licht von Mabels Scheinwerfern zwei halbkreisförmige Schatten auf den Bürgersteig warfen. Kein Mond zeigte sich am Himmel. Der Wind hatte ihn fortgeblasen.

Zwölftes Kapitel
    I ch warf einen kurzen Blick aus Veraleens altem GTO, während wir auf dem Highway 90 El Paso entgegenrasten. Grandma hat recht. Der Wind bringt nur Unheil mit sich, und als er sich wenige Tage später wieder legte, ohne die geringste Reue zu zeigen, hatte er meine Mutter auf dem Gewissen.
    »Deine Mama wird schon wieder!«, rief Biswick auf dem Rücksitz. Er hatte seinen Kopf aus dem Fenster gestreckt. Er war glücklich wie eine Biene, die ihre Freiheit wiedererlangt hatte. Seit sein Vater im Gefängnis saß, wohnte Biswick bei uns und schlief in meinem Gästebett. Veraleen kam jetzt immer schon am Morgen zu uns und blieb den ganzen Tag über. Manchmal schlief sie auch auf unserem Sofa ein und verbrachte die Nacht bei uns.
    Bug saß neben Biswick und heulte sich seit drei Tagen die Augen aus dem Kopf. »Hör auf zu weinen, Bug!«, bat ich sie. Ich konzentrierte mich darauf, einen gepanzerten, mit Stacheln übersäten Drachen in mein Notizbuch zu malen. Heute war Samstag und ich musste wegen dieser Fahrt mein gesamtes SGD über den Haufen werfen.
    »Sie stirbt!«, jammerte Bug.
    »Niemand wird sterben, Kleines!« Sogar Veraleen musste ihre Stimme heben, um den Lärm des Autos zu übertönen. Sie trug ihre Schwesternkluft und hatte eine Pranke am Lenkrad, während ihr anderer Arm, schwer wie ein Baumstamm, auf der heruntergekurbelten Scheibe ruhte. Sie hatte einen
bemerkenswerten Fahrstil, bremste nie, sondern trat die ganze Zeit das Gaspedal durch. Auch über gelegentliche Schlaglöcher in der Fahrbahn raste sie mit unverminderter Geschwindigkeit hinweg, sodass wir alle wie Springbohnen nach oben hüpften.
    Bug jammerte in einer Tour. »Bitte hör auf!«, versuchte ich es erneut. Ich konnte es nicht mehr aushalten. »Bitte, Veraleen, können wir nicht die Scheiben hochkurbeln?« Hier waren zu viele Geräusche auf einmal - der Wind, der Motor, das Weinen -, die sich miteinander vermischten. Ich hatte das Gefühl, ich müsste in tausend Teile zerspringen. Ich besann mich auf meine FF-Atemzüge. Einatmen - ausatmen, Merilee!
    Schließlich sagte Veraleen zu Biswick, er solle sein Fenster schließen, was er nach einigem Quengeln auch tat.
    »Du hast nicht mehr geweint, seit du ein Baby warst!«, schrie Bug mich an. »Du hast all deine Tränen aufgebraucht und jetzt sind keine mehr da! Keine Gefühle! Gar nichts! Es ist dir doch egal, ob Mama stirbt! Weil dir alles egal ist, außer deinen Drachen!«
    Ich hob mein Fernglas und betrachtete die verschwommenen Berge in der Ferne. Vielleicht konnte ich Weißfeder irgendwo entdecken.
    »Du weißt, dass das nicht wahr ist«, entgegnete Veraleen. »Wir haben eben nur alle verschiedene Arten, mit den Dingen fertig zu werden, das ist alles. Lass deine Schwester in Ruhe.« Ihre Worte waren sanft und wohltuend. »Schwestern. Schwestern sind alles im Leben.«
    »Ha!«, rief Bug, deren Gejammer mich durchbohrte wie ein Eiszapfen. »Sie ist keine Schwester. Sie ist gar nichts. Sie ist ein Müllroboter, der ständig mit seinem bescheuerten Fernglas rumläuft.« Ich drehte mich um und sah, wie ihr eine Träne über die Wange lief. Ich setzte mein Fernglas ab.
    Biswick beugte sich vor und stützte seine Ellbogen auf die
Rückenlehne. »Wie kommt es, dass Myrtle und Minnie sich hassen? Sie sind doch Schwestern, oder?«
    Ich rollte mit den Augen. Biswicks Vater war immer noch im Gefängnis, weil er kein Geld hatte, um rauszukommen, und meine Mutter lag im Krankenhaus, doch diese beiden Tatsachen schienen nicht in Biswicks Kopf zu gehen. Und warum brachte er überhaupt Myrtle ins

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