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Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde

Titel: Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Crowley Knut Krueger
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konnten.« Sie hakte sich bei ihm unter. »Und hier ist das Podium«, fuhr sie fort und lächelte mit geschlossenen Lippen.
    »Ich stehe auf keinem Po-di-um, wie ein dressierter Seehund!«, entgegnete Jack O’Connor und entzog ihr seinen Arm. Eine Schockwelle lief durch das Publikum. Es hätte mich nicht gewundert, wenn die ersten Gäste aufgestanden und gegangen wären, doch niemand rührte sich vom Fleck. Niemand wollte sich die spektakuläre Show entgegen lassen, die jeden Moment beginnen würde.
    »Was schreibt dein Daddy eigentlich für Gedichte?«, fragte ich Biswick, während sein Vater zur Kaffeebar hinüberging und mit dem Fuß an der Teppichkante hängen blieb. Jemand stand auf und überließ ihm seinen Stuhl.
    Biswick drehte einen Finger in seinem Ohr.

    »Ich weiß nicht«, antwortete er. »Es geht immer um Schmerzen.«
    Mama Peaches gab Jack O’Connor ein Glas Wein, das er in einem heftigen Zug hinunterstürzte, und als er zu sprechen begann, tanzten seine Worte durch den Raum wie traurige und zornige Gespenster. Er hatte kein Manuskript oder so was. Er trug alles aus dem Gedächtnis vor. Ich könnte kein Gedicht mehr Wort für Wort wiedergeben, doch ich erinnere mich, dass sie mit Hades, Berlin, verfaulten Fischköpfen und Ricotta zu tun hatten. Außerdem waren die Verse mit zahlreichen Schimpfwörtern und Flüchen gespickt. Romey und Cairo streckten ihre Köpfe hinter einem Buchregal hervor. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Mein Blick wanderte zum sonnengebräunten Hals des Poeten, auf dem sich die hellen Umrisse eines Kruzifixes abzeichneten.
    Er hielt inne und streckte die Hand aus. Mama Peaches reichte ihm ein weiteres Glas Wein, das er erneut in einem Zug leerte. Dr. Wilson schüttelte missbilligend den Kopf. Doch alle anderen schienen tief beeindruckt. Biswick kaute an seiner Unterlippe. Lorelei gab vor zu rauchen, während ihre Augen sich verengten, als hätte sie soeben ein riesiges Stück Schokoladenkuchen erblickt.
    Der Dichter gab ein weiteres Gedicht zum Besten. Es handelte von Bolivien, Rumba und JFK und wurde von den obligatorischen Kraftausdrücken begleitet. Es schloss mit den Worten: »So kommen wir aus tiefstem Dunkel und steigen zum Licht empor.«
    Totenstille.
    »Tja...«, sagte meine Mutter nach einer Weile, indem sie die Hände zusammenschlug. Ihre Wangen waren so rot wie die eines Zirkusclowns. »Zeit für Erfrischungen! Und danach wird Mr O’Connor sein neuestes Werk Phönix aus der Asche signieren.« Die Leute liefen durcheinander und unterhielten
sich so aufgeregt miteinander, als hätten sie gerade eine Fahrt mit der Achterbahn hinter sich.
    »Einen Moment!«, rief eine Stimme an der Ladentür. Alle drehten sich um. Es war Sheriff Bupp. »Sie sind hiermit festgenommen wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses und Trunkenheit in der Öffentlichkeit!« Der Sheriff klapperte mit den Handschellen.
    Jack O’Connor saß lächelnd auf seinem Stuhl. Er kippte das nächste Glas Wein hinunter, als wäre es Wasser, und wartete ab.
    Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Alle waren wie erstarrt. Dann stand der Dichter gemächlich auf und schlenderte auf den Sheriff zu. Bupp streckte ihm die Handschellen entgegen, doch O’Connor ging einfach an ihm vorbei und verschwand durch die Tür. Der Sheriff war so überrascht, dass er einen Moment lang mit geöffnetem Mund stehen blieb, ehe er auf dem Absatz kehrtmachte und die Verfolgung aufnahm.
    Alles stürzte hinter ihm her, drängelte und schubste, als würde bei Ferdie’s ein Räumungsverkauf stattfinden.
    »Ich wette zehn Dollar, dass er Verstärkung aus Whiskey anfordert!«, rief Mama Peaches.
    »Zwanzig Dollar, dass er ihn aus der Stadt jagt, so wie den letzten!«, rief jemand hinter mir. Ich schaute mich verzweifelt nach Biswick um, konnte ihn aber nirgendwo entdecken.
    »Ich war zuerst hier!«, ächzte Minnie, als sie gemeinsam mit Carmen Esparanza im Türrahmen stecken blieb. Im nächsten Moment wurde Bum »Windpocken«-Fox von der nachdrängenden Menge mit solcher Kraft nach vorne gestoßen, dass Minnie und Carmen wie Kanonenkugeln aus der Tür schossen. Alle anderen quetschten sich nach ihnen durch die Öffnung. Als ich nach draußen kam, war das Handgemenge schon vorüber. Sheriff Bupp zog den am Boden liegenden Dichter
nach oben und legte ihm Handschellen an. Ich bückte mich und blickte durch die Beine der Leute. Ich sah Biswicks Füße in der Tür, einen drinnen und einen draußen. Er schien zu zögern.
    Dann

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