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Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde

Titel: Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Crowley Knut Krueger
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einer weit entfernten Burgglocke denken. Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte es mir nur eingebildet. Doch da stieß etwas gegen meinen Fuß. Ich zuckte zusammen. Neben meinem Schuh lag ein Penny, auf dem ein winziger Zettel klebte. Ich las: Freak . Weitere sechs Pennys rollten den Gang entlang, wie attackierende Krieger. Einer machte einen perfekten Halbkreis um mich herum, ehe er liegen blieb. Auch er war beschriftet: Drachenmädchen . Scooter und Cairo klatschten sich ab.
    Schauerlich. Schauerlich. »Dann …«, fuhr ich fort, konnte mich aber nicht erinnern, wo ich stehen geblieben war. Immer mehr Pennys rollten gegen meine Füße. Schwachkopf. Trampel. Spasti. Streber. Sie erinnerten an die kleinen beschrifteten Zuckerherzen, die sich die Leute am Valentinstag schenken. Ich blickte erneut zum Fenster und erkannte eine schemenhafte Gestalt, die zu uns hineinschaute. Mama? Sie rief meinen Namen: »Merilee!« Ich zwinkerte. Es war Biswick.
    »Merilee, du musst mir helfen!«, rief er. Seine Stimme drang dumpf und unwirklich durch die Scheibe.
    »Hey, das ist Pfannkuchen! Was willst du, Hirni?«, rief Scooter. Die ganze Klasse brach in brüllendes Gelächter aus. Mr Bonaparte schrak auf.
    Biswick rief wieder meinen Namen. Ich war wie erstarrt. Noch mehr Pennies schlitterten über den Boden. Dumpfbacke. Knallkopf. Tölpel. Ich schaute Gideon an. »Geh, Merilee«, sagten mir seine Lippen.
    »Sie wissen, was Sie für eine Note bekommen, wenn Sie jetzt die Klasse verlassen, Miss Monroe!«
    Ich warf Biswick einen Blick zu. Ich wusste, dass ich zu ihm gehen musste. Doch bevor ich es tat, versuchte ich, mich zu sammeln und sagte: »Der klassische Märchendrache existiert
nicht... oder tut er es doch?« Nur dieser eine Satz. Es tat so gut. Die Kretins gafften mich verständnislos an. Gideon begann zu applaudieren, ein langsames, rhythmisches Stakkato, die Ovationen einer einzigen Person. Ich stürzte zur Tür und wäre fast auf den Pennys ausgerutscht.
    »Setzen Sie sich hin, Miss Monroe!«
    Ich erreichte die Tür, konnte sie jedoch nicht öffnen. Ich zerrte verzweifelt an der Klinke und spürte, wie mir die Tränen in den Augen brannten. Warum ging diese verdammte Tür nicht auf? Plötzlich war ein Schatten hinter mir. Gideon.
    »Gideon Beaurogard! Sie gehen sofort wieder an Ihren Platz zurück!«
    Mit einer einzigen Bewegung hatte Gideon die Tür geöffnet. Ich rannte hinaus, während mir das blökende Gelächter der Dämlichen Schafherde und Mr Bonapartes Rufe in den Ohren gellten.
    Ich fand Biswick draußen vor dem Gebäude. Er war weinend an der Mauer zusammengesunken. Ich half ihm auf. »Was tust du hier?«, fragte ich außer Atem. Der Bus aus Whiskey kommt normalerweise erst zurück, wenn mein Unterricht längst beendet ist.
    Er schüttelte nur den Kopf. »Ich mache mir Sorgen um deine Mama. Ich hab gesagt, dass ich krank bin, da haben sie mich nach Hause gebracht. Aber Daddy hat die Tür nicht aufgemacht.«
    »Mama wird wieder gesund«, sagte ich.
    »Glaubst du, ich werde immer den Cheeto haben?«
    »Cheeto wird immer bei dir bleiben, ganz bestimmt«, entgegnete ich.
    »Ich mache mir auch so Sorgen wegen Daddy. Kannst du mir helfen, bei uns ins Haus zu kommen?«
    »Hm, ich weiß nicht...« Ich schaute auf meine Uhr. SGD. In einer halben Stunde würde der Unterricht beendet sein.
Ich hatte also eine halbe Stunde, bevor meine Müllrunde begann. »Äääähh«, stieß ich aus. Ich kontrollierte die Uhrzeit und biss auf meine Unterlippe. »Ooooohh.«
    »Bitte!«, sagte Biswick. »Normalerweise lässt er immer die Tür für mich offen, auch wenn er schläft.«
    »Okay!«, seufzte ich. »Außerordentlich.«
    Während wir zum Fahrradständer gingen, drehte ich mich um und sah Gideons Gesicht am Fenster. Ich dachte an das Märchen vom Babydrachen, der zum ersten Mal im Leben seine Höhle verließ, ohne sich ein einziges Mal umzudrehen.
     
    Als Biswick und ich das alte Porter House erreichten, hatte ich sofort das Bild des früheren Eigentümers vor Augen, wie er auf der Veranda vor seinem Haus im Schaukelstuhl saß und Erbsenschoten putzte. Auch seine Frau Ola hatte das oft getan, wie mir Mama erzählte. Sie saß im Schaukelstuhl, putzte Erbsen- und Bohnenschoten und winkte den Nachbarn zu. Old Man Porter hat sich nur noch selten in der Öffentlichkeit gezeigt, nachdem seine Frau gestorben war. Darum hat ihn auch zwei Wochen lang niemand gefunden, als er tot in der Badewanne lag. Zirka eine Woche vor seinem Tod hatte Mama

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