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Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde

Titel: Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Crowley Knut Krueger
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Mädchen, das sich am Schaufenster einer Nobelboutique die Nase platt drückt. Sie schien etwas herbeizusehnen, etwas von mir zu erwarten, das ich ihr nicht geben konnte, und es schmerzte mich so sehr zu wissen, dass ich nicht mal mehr für Mama gut genug war.
    Jeden Morgen besuchte sie nun den Gottesdienst in ihrer Kirche. Dort entdeckte sie die sanften Wunder des Lebens. Sie wollte, dass ich mitkomme, damit ich meine eigene Form der Erlösung fand. Doch jeden Morgen, wenn sie mich mit den Augen fragte, sagte ich Nein. Ich glaube nicht an Wunder.
    In Onkel Dals Scheune war ich schon lange nicht mehr gewesen. Zum letzten Mal in dieser unheimlichen Nacht, als er mir sein Geheimnis anvertraute. Ich konnte einfach nicht mehr dorthin gehen. Doch was noch schlimmer ist: Ich hatte das Gefühl, dass ich ihm nicht mehr willkommen war. Vor ein paar Wochen hatte ich ihn kurz gesehen. Er fuhr mit seinem Pick-up an mir vorbei, als ich gerade aus Mamas Buchladen kam. Sein Gesicht war so leblos wie die Statue von Johnny Bupp vor dem Gerichtsgebäude, obwohl Flynn sich die Seele aus dem Leib bellte.
    Grandma war nicht vollständig in ihr Haus zurückgekehrt, seit Mama wieder da war. Sie ging erst, wenn es Schlafenszeit war. In der übrigen Zeit leistete sie uns Gesellschaft. Ihre Gegenwart lastete auf uns wie eine dunkle Wolke. Veraleen kam abends, um beim Kochen zu helfen. Sie und Grandma schienen eine Art Waffenstillstand vereinbart zu haben und ließen sich weitgehend in Ruhe. Sie bereiteten gemeinsam das Essen zu und gingen sogar weitgehend höflich miteinander um. Allerdings schnappte ich eine Menge interessanter Formulierungen auf, die sie in sich hinein murmelten oder vor sich hin flüsterten. Ich schrieb sie in mein Notizbuch und markierte sie mit einem Leuchtstift.
    Irgendwie schien Grandma zu ahnen - so wie sie das bei
gewissen Dingen immer tat -, dass Veraleen womöglich nicht mehr lange bei uns sein würde. Ich sah es ihren Blicken an, und das war auch der Grund, warum sie eine Person in ihrer Nähe duldete, für die sie auf der Straße nicht mal ein Kopfnicken übrig gehabt hätte. Nicht dass Grandma sonst irgendjemandem zugenickt hätte. Und aus unerfindlichen Gründen schien sie zu glauben, dass auch Mama uns verlassen würde. »Bald wird alles vorbei sein …«, hörte ich sie zu Bug sagen, als sie ihr einen Gutenachtkuss gab, »… und dann werde ich auf dich aufpassen.«
    Eines Morgens erschien Grandma in ihren Trauerkleidern - schwarzes Kleid, schwarze Strümpfe, schwarzer Hut mit einer großen Rabenfeder. Grandma hat es schon immer geliebt, auf Beerdigungen zu gehen, sogar auf Beerdigungen von Leuten, die sie nicht kannte. Sie studiert ständig die Todesanzeigen. Doch an diesem Tag fand keine Beerdigung statt. Veraleen sagt, unsere Seelen wissen, wenn ein Sandsturm naht, und spielen schon vorher ein wenig verrückt.
    Wie Grandma vorhergesagt hatte, wurden Biswick und ich »dicke Freunde«. Wir waren unzertrennlich. Mama meinte, wenn sie uns miteinander beobachte, habe sie das Gefühl, ich hätte endlich den imaginären Freund gefunden, mit dem ich immer geredet habe, als ich noch ein Kleinkind war. War Biswick ein Teil von mir geworden? Nicht wirklich. Das ließ ich nicht zu. Ich hatte Angst, ihn zu nah an mich heranzulassen, zu abhängig von ihm zu werden. Denn eines Tages würde er von hier fortgehen. Das vergaß ich keine Sekunde. Die Stadtschreiber bleiben immer nur für ein Jahr in Jumbo. Ein Jahr. Bevor sie von hier verschwinden, verkünden sie stets, das Jahr in Westtexas habe ihr Leben verändert und sie würden bald zurückkommen. Doch keiner von ihnen hat sich je wieder hier blicken lassen. Je größer die Ankündigung, desto endgültiger der Abschied. Mama sagt dasselbe über die
Kunden, die stets versprechen, das Buch ein anderes Mal zu kaufen, nachdem sie auf dem Sofa stundenlang darin geblättert haben.
    Doch manchmal, wenn ich mit Biswick zusammen war, wurde ich von einer so abgrundtiefen Traurigkeit ergriffen, dass ich mich auf meinen Müllstab stützen und einen ganzen Haufen FF-Atemzüge machen musste.
    Biswick behauptete, seinem Daddy ginge es wieder viel besser, und er würde stundenlang hinter seiner Schreibmaschine verbringen, um ein Meisterwerk nach dem anderen zu schreiben. Doch ich war mehr als skeptisch. Lorelei löcherte mich ständig mit Fragen nach Jack O’Connor und klimperte dabei so heftig mit ihren falschen Wimpern, als stünde sie ihm leibhaftig gegenüber. Andauernd sollte ich

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