Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde
ihn noch einmal auf der Veranda sitzen sehen. Da hatte er ihr zugewinkt, wie auch Ola es immer getan hatte. Mama hatte sich stets gefragt, was er die ganze Zeit in seinem Schaukelstuhl tat. Vielleicht wusste er es selbst nicht.
Doch jetzt war der Schaukelstuhl verschwunden. Stattdessen hüpften zahlreiche Babyfrösche auf der Veranda herum. Biswick gab einen erschreckten Laut von sich und versteckte sich hinter mir. Ich bewegte mich ganz langsam auf die Haustür zu, während Biswick sich an meinem T-Shirt festklammerte. Ich versuchte die Tür zu öffnen, aber sie war verschlossen.
»Hab ich dir doch gesagt!«, flüsterte Biswick und schmiegte sein Gesicht an meinen Rücken.
Ich wollte wirklich bald mit meiner Müllrunde beginnen. Außerdem war dies der letzte Ort, an dem ich jetzt sein wollte. Ich seufzte. »Komm, Biswick. Vielleicht steht ein Fenster offen. Wo ist dein Zimmer?«
»Dahinten«, raunte er. Als ich mich schlurfend in Bewegung setzte, sprang er auf meinen Rücken. Widerwillig umfasste ich seine Beine.
»Ooookay …«, sagte ich und trug ihn huckepack um das Haus herum, immer den Fröschen ausweichend. Dort setzte ich ihn ab und ruderte ein wenig mit den Schultern. Vom Kopf bis zu den Zehen lief ein Kribbeln durch meinen Körper. Vom Tragen hatte ich eine heftige Gänsehaut bekommen. Ich machte vier tiefe FF-Atemzüge, beugte mich vor und stützte die Hände auf die Knie.
Der Garten schien schon seit einem Jahr nicht mehr gemäht worden zu sein. Sogar Gänseblümchen blühten im hohen Gras. Ein Schaukelstuhl lag kopfüber auf der Wiese, seine Kufen ragten wie hölzerne Schier in die Luft.
Biswick stieg auf einen umgedrehten Eimer und krabbelte durch ein offenes Fenster. Ich kletterte hinter ihm her. Als ich wieder auf die Beine kam, war er schon ins Schlafzimmer gerannt. Ich hörte ihn rufen. »Daddy, ich bin wieder zu Hause!« In diesem Moment stieg mir ein ekelhafter Gestank in die Nase - als hätte jemand vergammelten Brokkoli draußen stehen lassen. Ich musste durch den Mund atmen und spürte einen Würgereiz. Ich schaute mich rasch in Biswicks Zimmer um. Auf dem Bett sah ich ein Donald-Duck-Laken und schmuddelige Bettwäsche. Ein Nachttisch mit einer Lampe ohne Schirm. Überall lagen Klamotten herum. An die Wand war eine Zeichnung gepinnt - ein Strichmännchen, das einen Müllbeutel in der Hand hielt.
Ich rief Biswicks Namen, doch er antwortete nicht.
Ich ging den Flur entlang, bis ich ein weiteres Zimmer erreichte.
Ich blieb auf der Schwelle stehen. Aus dem Zimmer drang ein scheußlicher Gestank. Wie eine Mischung aus vergammeltem Brokkoli und Dutzenden ungewaschenen Sportsocken. Der Fußboden war von Cola-Light-Dosen, Bierflaschen und zerknülltem Papier übersät. An der Wand hing eine Dartscheibe, die meisten Pfeile steckten jedoch daneben im Mauerwerk. Aus einem orangebraunen Knautschsack quoll die Füllung heraus. Der alte Walt Whitman auf dem Poster hatte so wirre Haare, das er sich vor Einstein und Beethoven nicht zu verstecken brauchte.
Der Dichter saß hinter einem Schreibtisch und starrte die leere Wand an. Er hatte mir den Rücken zugekehrt. Biswick stand regungslos neben ihm, die Hände wie zum Gebet gefaltet. »Daddy?«, flüsterte er. Ich bewegte mich nicht vom Fleck.
»Daddy?«, wiederholte Biswick. »Draußen sind Frösche. Überall.« Der Dichter reagierte nicht.
Ich bemerkte, dass ein altes Klavier an der Wand stand. Es sah so ramponiert aus, als hätte es jemand mit dem Hammer traktiert. Früher war es Ola Porters ganzer Stolz gewesen. Ihr Vater hatte es anlässlich ihrer Hochzeit mit dem Schiff aus Louisiana kommen lassen. Grandma erinnert sich noch daran, dass sämtliche Einwohner der Stadt zugesehen hatten, als es geliefert und ins Haus getragen wurde.
Ich machte ein paar Schritte in den Raum hinein. Ich hatte das Gefühl, in Biswicks Nähe sein zu müssen. Der Dichter drehte mir langsam den Kopf zu. Er trug eine Sonnenbrille.
»Was macht die hier?«, fragte er. Sein Blick ging über meinen Kopf hinweg, als wäre er blind.
Meine Gänsehaut kehrte zurück. Ich machte einen FF-Atemzug.
»Die Haustür war abgeschlossen«, sagte Biswick.
»Keine Besucher«, sagte der Dichter kühl. »Ich hab dir doch gesagt, keine Besucher. Niemals.« Biswick biss sich auf
die Lippen und entblößte die Zähne. »Ich versuche zu schreiben!«, fuhr der Dichter ärgerlich fort. Vor ihm stand eine alte Selectric-Schreibmaschine, in die ein Bogen eingespannt war. Ein einziges Wort
Weitere Kostenlose Bücher