Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde
Großteil ihres Gesichts.
»Wir hatten nie einen Weihnachtsbaum«, sagte Biswick tonlos, während sich seine Augen weiteten. »Nie.«
Später brachte Maydell Rathburger einen Teller mit Essen, den sie Biswick vorsichtig in den Schoß legte. Biswick rührte ihn eine geschlagene Stunde lang nicht an, während ich ständig Mamas Hunde verscheuchen musste. Veraleen kam und versuchte, ihn ein wenig zu trösten. Ihre großen Hände schienen seinen gesamten Kopf zu bedecken, wenn sie ihn streichelte. Ihre Augen waren voller Mitleid, doch schaute sie nie in meine Richtung. Ich machte tiefe FF-Atemzüge und hoffte inständig, dass alles bald vorbei sein würde, damit ich mit meiner Müllrunde beginnen konnte.
Grandma Birdy saß schweigend neben ihrer Freundin, Miss Fleeta Bell. Sie sahen aus wie zwei kleine schwarze Vögel, die ihre Köpfe schüttelten und hin und wieder unverständliche Laute von sich gaben.
Sogar Sheriff Bupp war gekommen, allerdings ohne seine Frau, und hatte sich mit einem randvollen Teller in eine Ecke gesetzt.
Dann kam Bug zu uns herüber und nahm Biswicks schlaffe Hand in ihre. Volle fünf Minuten sagte sie kein Wort, da sie irgendwie zu spüren schien, dass er jetzt Ruhe brauchte. Dann ließ sie ihn los und lief wieder in der Küche, um mit Tooti McKelvey herumzualbern.
Daddy zog sich nach oben zurück. Ich wünschte, auch ich könnte mich irgendwohin zurückziehen, doch ich wusste, dass das nicht möglich war, ganz gleich wie schwer es mir fiel. Ich musste die ganze Zeit neben Biswick auf der Couch sitzen.
Die Dean-Schwestern erschienen gleichzeitig und hatten zwei selbst gemachte Pasteten mitgebracht. Myrtles Brillengläser waren dicker als das Glas einer Colaflasche. Selbst Gideon hatte dünnere Gläser. »Es tut mir so leid, so leid …«,
sagte sie immer wieder zu Mama. Ich hatte gehört, dass Minnie Myrtles Einkäufe erledigte, seit diese keinen Führerschein mehr hatte, und dass die beiden nach all den Jahren wieder miteinander sprachen. Mama nahm die Pasteten und zeigte sie herum, während sie Myrtle auf die Schulter klopfte.
Als es an der Haustür klingelte, stürmten Beasie, Winkie und Weenie davon, sodass ich endlich mit Biswick und Mama allein war, die sich wieder zu uns gesetzt hatte. Doch im nächsten Moment tauchte Wadine Pigg mit besorgter Miene bei uns auf, um Mama irgendetwas mitzuteilen. Auch Mama guckte plötzlich besorgt und eilte gemeinsam mit Wadine zur Haustür. Ich ging ihnen nach und spähte an der Wohnzimmertür um die Ecke.
Mama redete mit irgendwelchen Leuten an der Haustür. Ich streckte den Hals und sah zwei missmutig dreinblickende Frauen in langen Wollmänteln, die einen überaus förmlichen Eindruck machten. Sie hielten Klemmbretter in der Hand. Ich versuchte zu verstehen, was sie sagten, hörte aber nur »Bedenken« und »Vorschriften«. Plötzlich schien Mama die Geduld zu verlieren und rief: »… und schon gar nicht am heutigen Tag!« Ihre Stimme gellte durch das Haus. Dann knallte sie die Tür hinter ihnen zu. Sheriff Bupp, der ebenfalls im Flur gestanden hatte, nickte meiner Mutter zu und ging nach drau ßen, um mit den beiden Frauen zu reden.
Biswick hatte Cheeto aus seiner Hosentasche gezogen und neben den Teller auf seinen Oberschenkel gelegt. Er strich sanft mit seiner Hand darüber und zum ersten Mal an diesem Tag entspannten sich seine Gesichtszüge ein wenig.
Ich ließ mich in die Couch zurücksinken. Ich würde ihn nicht wieder verlassen.
In diesem Moment passierte es. Plötzlich stürmten Beasie und Winkie ins Wohnzimmer und nahmen direkten Kurs auf Biswicks Teller, den er immer noch nicht angerührt hatte. Ich
sprang gerade noch rechtzeitig auf, um sie an den Halsbändern zu packen, quer durch das Haus zu zerren und in die Wäschekammer zu sperren. Als ich mir meinen Weg durch die Menge bahnte, um zum Sofa zurückzukehren, schoss Weenie auf einmal unter Grandmas Stuhl hervor.
Biswicks Gesicht war starr vor Schreck, als Weenie sich Cheeto von seinem Oberschenkel schnappte. Biswick sprang schreiend auf, wobei der Teller mit dem Essen krachend auf dem Boden landete. Weenie stürzte sich auf Cheeto, als wäre er der Weiße Hai im Spielfilm von Steven Spielberg. Es ging alles ganz schnell. Veraleen trug den brüllenden Biswick die Treppe hinauf. Und Grandma? Sie grinste.
Später am Abend, als Biswick und ich wach in unseren Betten lagen, jammerte er über den Verlust von Cheeto. »So eine Gemeinheit!«, schimpfte er. Ich versuchte,
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