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Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde

Titel: Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Crowley Knut Krueger
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geschmückt. Es sah fantastisch aus, obwohl es ein bisschen nach Hundepisse stank. Es glänzte und wirkte fast wie neu. Onkel Dal hatte Biswick geholfen, es herzurichten.

    Ich trug es in die Küche. Alle starrten mich an, als wäre ich ein Gespenst. Ich überreichte das Geschenk dem Sheriff.
    »Das ist von Biswick«, sagte ich und verließ den Raum. Ein paar Schritte weiter blieb ich stehen, um zu horchen.
    »Tja... äh... als Junge hatte ich mal so einen … der sah wirklich genauso aus«, stotterte Sheriff Bupp. Er hatte offenbar einen Kloß im Hals. »Den habe ich … an unserem letzten Weihnachtsfest bekommen.« Ich spähte um die Ecke und sah, wie er den Spielzeugwagen an seine Brust drückte. Und auf einmal erkannte ich den kleinen Jungen, der er gewesen war, bevor Johnny Bupp von einem Nazi erschossen wurde und seine Mama aus den Latschen kippte. »Ich wollte ein Feuerwehrmann werden und Leuten das Leben retten. Anderen zu Hilfe kommen.« Für einen Moment war es vollkommen still. Er wischte sich über das Gesicht.
    Später am Abend, nachdem Sheriff Bupp gegangen war, holten sie mich noch mal zum Teetrinken in die Küche.
    »Hast du eine Ahnung, wo Biswicks Mutter ist?«, fragte Mama.
    Ich schüttelte den Kopf. Das war nicht gelogen. Ich wusste es wirklich nicht. Ich war so müde, dass ich ständig gähnen musste.
    »Hat er seine Mutter dir gegenüber je erwähnt?«, fragte Daddy.
    Plötzlich wurde ich wütend. Sie versuchten, ihn irgendwohin abzuschieben, ihn loszuwerden. Wenn ihn jemand haben sollte, dann Veraleen, doch sie war merkwürdig still. Ich blickte über den Tisch zu ihr hinüber. Das Einzige, was sie in den letzten Stunden immer wieder von sich gegeben hatte, war: »Niemand hat Schuld.« Warum nahm sie Biswick nicht einfach zu sich? Sie hatte ihn doch vorhin so eng an ihre Brust gedrückt, als wollte sie ihn nie mehr loslassen. Und jetzt saß sie einfach da und sagte kein Wort. Ich schaute sie durchdringend an.
Und ich verstand. Ihr Geheimnis war groß und hatte nichts mit der Tatsache zu tun, dass sie sich aus dem Staub machen wollte, ihren Job im Krankenhaus verloren oder einem Säugling geschadet hatte. Es musste solche Dimensionen haben, dass nicht einmal Veraleen imstande war, ihm die Stirn zu bieten.
    »Merilee?«, fragte Daddy. »Alles in Ordnung, Hug?«
    »Nein!«, rief ich aus. Gar nichts war in Ordnung. Biswicks Daddy war tot.
    »Niemand hat Schuld«, wiederholte Veraleen. »Der Sheriff sagt, er sei schon seit Tagen tot gewesen.« Sie starrte auf die Tischplatte, aber ich wusste, dass sie mit mir sprach. »Seit Tagen.«
    »Wir müssen herausfinden, wo seine Familie ist«, sagte Mama.
    »Es gibt keine Familie«, entgegnete ich, ohne zu wissen, ob das der Wahrheit entsprach. Ich wollte, dass es keine Familie gibt. Ich wollte, dass er bei uns blieb. »Da ist niemand.«
    »Das stimmt, Schatz«, sagte Veraleen. Unsere Blicke begegneten sich. Ich sah das Schuldbewusstsein in ihren Augen. Warum nur? Warum fühlte sie sich schuldig?
    »Warum nimmst du ihn nicht, Veraleen?«, fragte ich. Ich konnte es nicht glauben. Hatte ich diese Frage tatsächlich laut ausgesprochen? Sogar Mama und Daddy schauten mich verblüfft an.
    Veraleen vermied es, mir in die Augen zu blicken.
    »Es ist viel zu früh, um darüber zu reden, was aus Biswick wird«, warf Mama ein. »Es gibt bestimmt irgendwelche Unterlagen über seine Familie, aber das alles wird seine Zeit brauchen. Bis auf Weiteres kann er natürlich bei uns wohnen bleiben, egal wie lange das sein wird.«
    Daddy stand auf und ging zum Telefon. Mama fragte ihn, was er vorhabe. »Die Beerdigung organisieren.« Mama schaute
ihn überrascht an, so wie wir alle. Ich ging in mein Zimmer und kroch unter die Decke. Ich versuchte, mir ein paar meiner Drachen vorzustellen, sah jedoch nur ein wildes Durcheinander von Hörnern und Schuppen, bis ich schließlich in einen tiefen Schlaf fiel.
     
    Am nächsten Morgen klingelte es früh an unserer Tür. Ich aß gerade Haferflocken, stand auf und schlenderte zur Haustür. Doch als ich sie öffnete, war niemand zu sehen. Da erblickte ich auf der Fußmatte ein Weihnachtsgeschenk, das in altmodisches Geschenkpapier eingepackt war. Ich bückte mich und las: Für Merilee . Ich riss sofort das Papier auf.
    Es war das Foto. Dasjenige, welches er auf dem Jumbo Lights Festival von mir gemacht hatte. Ich hielt es mir vor die Augen und konnte nicht glauben, was ich da sah. Die sanften Lichter dieser Nacht umspielten mein Gesicht

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