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Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde

Titel: Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Crowley Knut Krueger
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umging. Mama trug ihre Haare wieder offen und verzichtete seit dem Unfall auf mädchenhafte Ponyschwänze. Ich roch sogar ihr Kräutershampoo.

    »Die hab ich draußen mit Mary Alice Augustine gesehen. Sie wollten nach Hause gehen und versuchen, einen Schneemann zu bauen.«
    In diesem Moment erschienen Ramona Grace und Scooter Stunkel mit zwei Transparenten, auf denen »Miss Chilipepper« und »Mr Hot Sauce« stand. Ich hatte meine drei Quälgeister bisher noch nicht gesehen. Yello half seinem Vater bei der Zubereitung seines Bubba Brown’s Black Magic Chili. Geheime Zutat: importierte Kichererbsen.
    »Ich geh mal schnell Fridas Chili probieren«, sagte Lorelei.
    »Verräterin!«, sagte Mama schmunzelnd. »Merilee, mein Schatz, würdest du ein paar Zwiebeln für mich in Würfel schneiden?«
    Eigentlich verspürte ich nur wenig Lust, mich aus meinem Klappstuhl zu erheben, doch schaute sie mich so flehentlich an, dass ich doch aufstand und widerwillig mein Notizbuch zuklappte. Ich stellte mich neben sie und begann zu schneiden.
    Aus den Lautsprechern kam Musik der 50er-Jahre. Mama summte zu »Rock Around the Clock« und stampfte mit dem Fuß den Takt, was in Clogs gar nichts so einfach ist. Sie warf mir verstohlene Blicke zu. Plötzlich erklärte sie: »Du siehst wirklich wie Grandma Ruth aus. Das ist mir bis heute gar nicht aufgefallen.«
    »Wirklich?«, fragte ich. »Verwunderlich.«
    »Ja, du hast dasselbe markante Profil. Sie sah auf ihre eigene Art sehr hübsch aus. Damals galt sie als ziemlich attraktiv.«
    Attraktiv. Wow. Ich hob die Hand und berührte zweifelnd meine Nase - mein breite, knubbelige 747-Landebahn. Doch dann dachte ich an Gideons Foto, auf dem ich wirklich fast attraktiv aussah, und fühlte mich schon besser.
    »Sie wäre stolz auf dich gewesen, Merilee.« Ich spürte ein
Brennen, das langsam meinen Brustkorb hinaufkroch, während sie sprach. »Du kannst dich wahrscheinlich nicht mehr an sie erinnern, aber du hättest sie geliebt.«
    Ja, bestimmt hätte ich sie geliebt. Tränen traten mir in die Augen. Wegen der Zwiebeln. Es lag allein an den Zwiebeln. Ich schnitt sie weiter.
    »Oh Merilee...«, sagte Mama und strich mir über die Wange. »Ich habe dich nicht mehr weinen sehen, seit du ein Baby warst«, seufzte sie. »Ich weiß, dass ich nicht immer die beste Mutter war. Glaub mir, mein Schatz, ich habe seit dem Unfall so viel darüber nachgedacht.« Sie legte den Kochlöffel hin. »Als du ein Baby warst, konnte ich dich nie anfassen, weil dir das so schrecklich unangenehm war. Onkel Dal war der Einzige, der dir nahe sein durfte. Und später dann Veraleen und Biswick.« Plötzlich kam mir das Bild zu Bewusstsein, wie Veraleen mit ihrem Wagen aus unserer Auffahrt zurücksetzte.
    »Alles okay mit dir?«, fragte Mama. »Du wirkst heute so bedrückt, Merilee. Was ist mit dir?«
    Ich trat einen Schritt zurück und schnitt weiter. »Warum sie ? Warum Grandma Ruth?«, flüsterte ich. »Sie hätte mich geliebt. Verwunderlich.«
    Mama warf ein paar Chilischoten in den Topf und wischte sich die Hände an einem Stück Küchenpapier ab. »Als sie starb, warst du zirka drei Jahre alt. Sie hat dich nur einmal gesehen. Bevor sie uns ein weiteres Mal besuchen konnnte, ist sie gestorben. Sie war nicht perfekt, Merilee. Keiner von uns ist das. Wenn sie noch leben würde, wäre sie als Großmutter vielleicht ganz anders, als du es dir jetzt vorstellst.« Als sie eine ganze Flasche Liquid-Smoke-Würzmittel in den Topf schüttete, fiel mir erneut die rosafarbene Narbe auf ihrer Stirn auf, die bereits ein wenig verblasst war.
    »Ich werde dich nie verlassen, Mama«, flüsterte ich, während ich kurz meine Stirn berührte.

    »Aber natürlich wirst du das!«, sagte sie entschieden und drehte sich ganz zu mir herum. Die leere Liquid-Smoke-Flasche hielt sie in der Hand. »Du wirst aufs College gehen und die Welt kennenlernen. Doch eines Tages wirst du zurückkehren, Merilee. Denn dieser Ort hat etwas Magisches an sich.« Sie rührte wieder in ihrem Chili. »Du lebst hier wie in Schattenland.«
    »Ich erinnere mich an Schattenland. Das kommt bei C.S. Lewis vor, in Die Chroniken von Narnia . Daraus hast du mir immer vorgelesen, als ich noch klein war. Weißt du noch?«
    »Ja, natürlich!« Sie schüttelte verblüfft den Kopf. »Mir ist wirklich unbegreiflich, wie du dich daran erinnern kannst. Du warst damals erst zwei, höchstens drei Jahre alt.«
    »Wir leben in Schattenland. Die Sonne scheint immer anderswo... hinter

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